Dresden - Bunte Lichter, laute Musik, gut gemixte Cocktails - Auf Einladung von Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) feierten frisch 18 gewordene Jugendliche in den vergangenen Jahren immer wieder eine Party. Kosten: Fast 190.000 Euro Steuergeld für einen Abend! Doch ging bei der Vergabe der hunderttausend-Euro-schweren Aufträge alles mit rechten Dingen zu? Wer profitierte von den Feiern? Diente die Party möglicherweise als Mittel, Hilberts Wahlkampf-Unterstützer mit profitablen öffentlichen Aufträgen zu versorgen? Eine Sachsen-Fernsehen-Recherche.
Wie aus einer Anfrage des Dresdner Linken-Stadtrats André Schollbach hervorgeht, verursachte die Rathaus-Party im September 2022 Kosten von fast 190.000 Euro. Allein für die Planung und das Konzept der Feier wurden laut Stadtverwaltung 21.979,30 Euro aufgebracht. Die Kosten für Technik, Möbel und Eventmodule beliefen sich auf 54.063,13 Euro. Hinzu kamen kleinere, aber dennoch beachtliche Ausgaben wie zum Beispiel 1.708,61 Euro für gedruckte Briefbögen. Sogar die Geburtstagstorte, welche 212,50 Euro kostete, wurde aus der Stadtkasse finanziert.
Die teure Party verursachte ein Medienecho und löste Empörung aus. Ein Top-Veranstalter aus Sachsen äußerte sich gegenüber Sachsen Fernsehen verblüfft über die hohen Kosten und betonte, dass solch eine „Mega-Summe" in seiner Branche eher unüblich sei. "Was wir mit diesem Geld für Partys schmeißen würden.", sagte er.
Linken-Stadtrat André Schollbach, der die Kosten ebenfalls kritisch betrachtet, bemerkt, dass trotz Haushaltssperre in Dresden großzügige Ausgaben für solche Events vorgenommen werden. Er kommentiert:
„Viele Menschen leiden unter der Haushaltssperre. Doch für teure Partys, Feste und Empfänge gibt Dirk Hilbert das städtische Geld mit vollen Händen aus."
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) rechtfertigt seine teure Rathaus-Party im Interview mit Sachsen Fernsehen:
„Es sollte es uns Wert sein, dass wir einmal im Leben die Volljährigen zu einer entsprechenden Feier ins Rathaus einladen. Sie werden es ihr Leben lang nicht vergessen, werden das Rathaus in positiver Erinnerung haben. Das ist eine tolle Sache. (...) Gönnt den jungen Leuten doch auch erstklassige Angebote, lasst sie toll im Rathaus ankommen. (...) Ich glaube, einige haben nur den Neid, dass die Party so cool ist."
Doch Kritik gibt es nicht nur an den hohen Kosten. Wurden bei der Vergabe der Aufträge für die Feier alle rechtlichen Vorgaben eingehalten? Wohin flossen die öffentlichen Gelder und welche Unternehmen erhielten die lukrativen Verträge?
Sachsen Fernsehen suchte nach Antworten und fragte bei der Stadtverwaltung nach. Doch die Antwort fiel vage aus, wobei ein Stadtsprecher betonte, dass bestimmte Daten vertraulich seien und nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben werden könnten. Linken-Politiker Schollbach, der ebenfalls bei der Stadtverwaltung nachhakte, erhielt als Stadtratsmitglied eine Antwort, die jedoch vom Oberbürgermeister vorerst als „vertraulich" eingestuft wurde und somit nicht veröffentlicht werden durfte.
Anfragesteller André Schollbach (Linke) dazu:
„Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wer die lukrativen Aufträge für die Party des Oberbürgermeisters erhalten hat. Schließlich geht es hier um Steuergelder. Dass der Inhalt der Antwort nicht veröffentlicht werden darf, weil Herr Hilbert deren Vertraulichkeit angeordnet hat, zeigt die Brisanz der Thematik."
Für 2018, 2019 und 2020 (nachgeholt im Jahr 2022 wegen Corona) wurden die Verträge laut Stadtverwaltung "freihändig vergeben" (mehrere Unternehmen werden vom Auftraggeber angefragt und sollen bei Interesse ein Angebot abgeben). Üblicherweise ist eine öffentliche Ausschreibung (jeder kann sich bewerben) bei einer Gesamtsumme von über 25.000 Euro erforderlich. Wie sich herausstellte, wurde in Dresden allerdings drei Jahre lang fast das Achtfache dieser Summe ohne öffentliche Ausschreibung vergeben.
Nach Sachsen Fernsehen-Recherchen fragte die Stadtverwaltung im ersten Jahr bei fünf Unternehmen an, ob sie die 18er-Party veranstalten wollen. Doch tatsächlich gab nur die Eventagentur Schröder GmbH ein Angebot ab. Bei den weiteren, durch die Stadtverwaltung angefragten Unternehmen waren teilweise keinerlei Erfahrungen oder Referenzen mit Veranstaltungen dieser Art zu finden.
Die Landesdirektion Sachsen als zuständige Rechtsaufsicht für die Kommunen wiegelt eine Anfrage von Sachsen Fernsehen ab. Da kein Verwaltungsverfahren anhängig sei, sei auch keine Auskunft möglich.
Das Geld floss im Jahr 2018, 2019 und 2022 zu großen Teilen an die Eventagentur Schröder GmbH, so ein Stadtsprecher Tage später dann auf Anfrage unseres Senders. Insgesamt kassierte die Eventagentur Schröder GmbH mit der 18er-Rathaus-Party laut Stadtverwaltung zusammengerechnet deutlich über 400.000 Euro in den vergangenen Jahren!
▶️ Doch wer steckt hinter der Agentur Schröder? Geschäftsführer ist Dresdens Stadtfest-Organisator Frank Schröder, der als Vorstand in Dirk Hilberts Wahlverein „Unabhängige Bürger für Dresden" pressebekannt wurde.
Der 18er-Party-Auftragnehmer Frank Schröder (2018, 2019 und 2022) ist jedoch nicht nur Vorstand in Dirk Hilberts Wahl, der „Unabhängige Bürger für Dresden e. V." trägt sogar die selbe Geschäftsadresse wie die Agentur Schröder (beide sind laut Impressum auf der Straße „Zur Messe 9a" in Dresden zu finden). Zudem wird auf der Agentur-Webseite der Hilbert-Wahlkampf als Referenz angegeben:
„Wahl. Kampf. Sieg: In sechs spannenden, ereignisreichen und auch anstrengenden Monaten planten und koordinierten wir als Leadagentur den Wahlkampf unseres amtierenden Oberbürgermeisters."
➖ Kam es hier zu einer unzulässigen Vermischung von Interessen? ➖Die Agentur Schröder lies eine Anfrage von Sachsen Fernsehen bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.