Fr, 10.11.2017 , 09:57 Uhr

„ALLES ROCK 'N' ROLL“ in der Moritzbastei

Leipzig – Der Leipziger Karikaturist Werner David zeigt seit Mittwoch neue Werke großer Rockstars in der Moritzbastei.

Als der 18jährige Eddie Cochran, bis dahin Country-Musiker, bei einem Konzert in Dallas, Texas auf Elvis Presley traf, wurde er zum Rock ’n‘ Roll bekehrt und schuf neben vielen anderen Titeln den bekannten Summertime Blues. Diese Begegnung ereignete sich 1955 und Werner David war gerade mal 4 Jahre alt. 62 Jahre später nennt ihn kaum jemand mehr bei seinem bürgerlichen Namen. Unter den über 100 angereisten Gästen spricht man am Mittwoch Abend in der Leipziger Moritzbastei nur von „Elvis“, der Betrachter der zahlreich ausgestellten Karikaturen entdeckt das Signum „l.viss“. Es ist sein Künstlername, ursprünglich ein Spitzname, der auf seine Tolle in jungen Jahren zurückführt und deren Vorbild die des King of Rock ’n‘ Roll selbst war. So machte er diesen Namen zu seinem sprichwörtlichen Markenzeichen.

Als gegen 20.40 Uhr das ansteckende Gitarren-Riff des Summertime Blues‘ durch das gedimmte Gewölbe des Schwalbennestes in der MB ertönt, den eben noch Glücklichen, die einen Sitzplatz ergattern konnten, nun der Blick von den sich drängenden Gangstehern eingeschränkt wird, als neben Handys noch klassische Fotoapparate von einem zumeist lebenserfahrenen Publikum mit teilweise wehenden grauen Haaren gezückt werden, da fühlt man sich plötzlich in eine Zeit zurückversetzt, in der Rock ’n‘ Roll noch Rebellion bedeutete, in der man 100 Mark und mehr für begehrte Schallplatten investieren musste, in der man Coverbands zujubelte, die die englischen Vorlagen eher lippensynchron zu interpretieren versuchten, dieser verruchten Sprache jedoch nicht mächtig waren.

Genau diese Zeit hat den Karikaturisten Werner David sein Leben lang geprägt. Von Beruf eigentlich Drucker erkannte er schon früh sein Talent für das Zeichnen. Dem Autodidakten gelang es, den Eulenspiegel für seine erste Veröffentlichung zu gewinnen. Das IG Medienmagazin und die Leipziger Volkszeitung folgten neben vielen anderen. Seine Tätigkeiten als Drucker und Gewerkschafter versetzen ihn in die komfortable Lage, nie auf Veröffentlichungen und Verkäufe seiner Werke angewiesen zu sein. Er konnte sich die Zeit nehmen, die seine filigranen, häufig farblich intensiven und großartig hintersinnigen Werke benötigten. Er hatte die Freiheit, Themen zu wählen, von denen er sich am meisten inspiriert fühlte. Und das war eben auch seine zweite große Leidenschaft, die Musik.

Für ihn persönlich bedeutete die politische Wende 1990 die Befreiung von bis dahin gegeben Grenzen zu einer großteils verborgenen Musikwelt. Seine Musiksammlung schätzt er selbst auf über 2.500 Rock ’n‘ Roll- und Rhythm and Blues-Tonträger. Es ist also wenig verwunderlich, dass er sich bei seiner Rückkehr in die Moritzbastei nun mit Portraits seinen Musikidolen widmet. Unter der Überschrift „ALLES ROCK ‚N‘ ROLL“ fügen sich seine musikalisch-rebellischen Werke perfekt in das rauhe, von Rauch, Schweiß und Musik getränkte Gewölbe der ursprünglichen Stadtbefestigung ein. Das Wiedersehen mit dem von Cannabispflanzen umgebenen Jimi Hendrix, Diana Ross mit einer bedrohlich hochgesteckten Frisur oder den Beatles mit strawberry heads führt dem Betrachter die Musik förmlich ins Ohr. Je mehr man sich den Bildern nähert, desto stärker wird man erfasst von dem eigenen Staunen über die Detailverliebtheit und Farbvariation. Den wissenden Gästen erschließen sich sehr schnell die verborgenen Anspielungen und Übertreibungen, was sie mit Werner David eint.

Als Mitglied im Mitteldeutschen Presseclub oder ehrenamtlicher Helfer bei RasenBallsport Leipzig könnte man meinen, dass nach einigen Höhen und Tiefen aus Werner David ein gesetzter Netzwerker geworden ist. Doch an diesem Abend spürt man, dass die Anwesenden ausschließlich Kollegen, Weggefährten und Freunde sind – Rainer Schade, Ulrich Forchner, Erich Kissing, Egbert Herfurth und viele mehr erweisen einem gerührten l.viss die Ehre, und man ist sich sicher, dass er selbst diesen Abend als „sensationell“ bezeichnen wird.