So, 02.07.2023 , 10:04 Uhr

Ausleihe auch sonntags: Bibliotheken mit erweiterten Öffnungszeiten

Mehr Zeit zum Stöbern und Recherchieren: So manche Bibliothek in Sachsen gewährt ihren Nutzern inzwischen auch dann Einlass, wenn keine Mitarbeiter im Haus sind oder für eine Beratung zur Verfügung stehen.

In Dresden, Leipzig und Kamenz etwa haben Einrichtungen ihre Öffnungszeiten erweitert und setzen auf Selbstbedienung, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Vielerorts haben längst Terminals zur Selbstverbuchung Einzug halten, was Voraussetzung für eine offene Bibliothek in den Abendstunden oder am Wochenende ist.

«Wir sind dabei, Bibliotheken als dritte Orte auszubauen – jenseits von Wohnen und Arbeiten», sagt der Leiter der Sächsischen Landesfachstelle für Bibliotheken, Robert Langer. Eine Möglichkeit zur Erweiterung des Services sieht er im Konzept Open Library (wörtlich: offene Bibliothek), das ursprünglich aus Skandinavien stammt. Angemeldete Besucher bekommen dabei auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten Zugang zur Bibliothek, ohne dass Personal anwesend ist. Nach Ansicht von Langer besteht dadurch die Chance, die Einrichtungen mit ihrem kostenlosen und niederschwelligen Angebot für alle Bevölkerungsschichten mehr im Herzen einer Kommune zu verankern.

Nachdem schon 2004 die erste Open Library in Dänemark öffnete, fasst die Idee allmählich auch hierzulande Fuß. Die Stadtbibliothek in Kamenz etwa steht seit Anfang Juni täglich von 9.00 bis 21.00 Uhr offen. Personell besetzt ist die Einrichtung an fünf Werktagen jeweils bis 18.00 Uhr. Abends und am Wochenende werden die Räume den Nutzern «auf Vertrauensbasis überlassen», wie Leiterin Marion Kutter es ausdrückt. Wer das Angebot in Anspruch nehmen möchte, muss mindestens 16 Jahre alt sein und eine dafür freigeschaltete Bibliothekskarte besitzen.

«Mit den sehr komfortablen Öffnungszeiten kommen wir vielen Familien entgegen, die ihren Alltag flexibler gestalten wollen», sagt Kutter. Gerade Berufstätige könnten einen Bibliotheksbesuch somit besser einbauen, zumal etwa 50 Prozent der Nutzer aus dem Umland kämen. Auch zu den Öffnungszeiten ohne Mitarbeiter vor Ort sei alles außer persönlicher Beratung möglich. Besucher könnten Medien ausleihen und zurückgeben, am Computer recherchieren, arbeiten und drucken, Zeitschriften lesen, Gesellschaftsspiele ausprobieren und sogar Kaffee trinken, zählt die Bibliotheksleiterin auf. Für Sicherheit sorgten Zugangsregistrierung und Videoüberwachung. Dadurch ließen sich «eventuelle Vorkommnisse» während des Aufenthalts nachverfolgen.

In Dresden sind 7 von 19 Zweigstellen der Städtischen Bibliotheken an sieben Tagen der Woche von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. In der Regel sichert ein Sicherheitsdienst die Zeiten ab, in denen nur Selbstbedienung möglich ist. Lediglich die Filiale im Stadtteil Strehlen kommt völlig ohne Personal aus. Die Umrüstung dieser Bibliothek sei Anfang 2023 «mit einer technischen Lösung ohne Sicherheitsdienst» erfolgt, wie es hieß. Dort erhalten Nutzer ab 14 Jahren Zutritt mit gültigem Bibliotheksausweis.

Die Städtischen Bibliotheken in Leipzig wollen künftig vor allem bei Neubau- und Sanierungsvorhaben das Open-Library-Konzept umsetzen. Seit September 2022 gelten an mehreren Standorten erweiterte Öffnungszeiten, in denen zeitweise nur Selbstbedienung möglich ist. Mitarbeiter seien zwar im Haus, dann jedoch mit anderen Aufgaben beschäftigt, teilte die Einrichtung mit. «Wer sich neu anmelden möchte oder fachliche Beratung benötigt, kommt vorbei, wenn die Fachleute präsent sind.»

Wissenschaftliche Einrichtungen wie die Sächsische Landesbibliothek in Dresden arbeiten schon etwas länger nach dem Prinzip der Open Library, allerdings in Kombination mit einem externen Wachdienst. «Es entlastet die Bibliotheken, wenn die Kundschaft sich kümmert», sagt Robert Langer von der Landesfachstelle. Eine Öffnung komplett ohne Personal setze freilich voraus, Vertrauen in die Bürger zu haben, dass sie das Angebot nutzen und nicht ausnutzen. Einrichtungen, die das System bereits eingeführt haben, seien von Vandalismus oder Diebstahl bislang verschont geblieben. «Die Bürger gehen verantwortungsbewusst mit ihrer Bibliotheken um.»

Trotz zunehmender Digitalisierung bleibe die Bibliothek als «erweitertes Wohnzimmer» wichtiger Anlaufpunkt in einer Kommune. «Sie wird sich als physischer Ort nicht auflösen», urteilt Langer. Der überwiegende Teil derjenigen, die in sächsischen Bibliotheken angemeldet sind, gehe zur Ausleihe vor Ort. Nur etwa 10 Prozent nutzten das digitale Angebot der Onleihe.