Wer vermisst sie nicht, die verrückten Fernsehwerbungen von einst, die oftmals aus humoristischer Sicht an die Grenzen gingen. Früher wurde die abendliche Werbung im TV heiß diskutiert und sie blieb im Gedächtnis. Heute sieht es anders aus. Alles wirkt glatt gebügelt, monoton und beinahe langweilig. Warum befindet sich die Fernsehwerbung in einem derartigen Wandel und was hat dies zu bedeuten? Hat die Fernsehwerbung ihren Stellenwert verloren und worauf müssen sich Zuschauer in den kommenden Jahren einstellen? Wer viel fernsieht, der erkennt, dass die Werbung nicht weniger geworden ist, sondern sich nur anders präsentiert. Was sind die Dynamiken hinter diesem Phänomen?
Zu Beginn der Fernsehwerbung und bis in die frühen 2000er-Jahre war Massenwerbung das erprobte Mittel des TV-Marketings. Jeder Zuschauer bekam alles zu sehen, wichtig war bloß die Reichweite. So kam es vor, dass auf eine Werbung für dentale Haftcreme eine für Kinderspielzeug folgte. Derartiges Werben war nur in der Masse erfolgreich, weshalb die gleichen Werbeclips oftmals über Monate oder Jahre liefen.
Heutiges Werben im Fernsehen oder in den Mediatheken präsentiert sich klüger und flexibler. Die Werbung wird nicht nur dem Sender und dessen Zielgruppe, sondern auch dem Programm und dem Zeitpunkt angepasst. Dadurch ist es möglich, mit weitaus weniger und kürzerer Werbung gezielter potenzielle Kunden anzusprechen. Möglich war das natürlich erst mit dem Anwachsen der Sender. Das Privat- und Kabelfernsehen hat dazu beigetragen, dass sich einzelne Sender besser und gezielter im Vergleich zur Konkurrenz positionieren konnten.
Das moderne Online-Marketing basiert seit jeher auf komplexen Regeln und Algorithmen. Wer sich im Internet behauten möchte, der kauft heute Backlinks und knüpft sich damit an vergleichbare Inhalte, sodass die Suchmaschinen die eigene Seite höher bewerten. Ein Aushängeschild des Internetmarketings ist seit jeher die Optimierung, was bestimmte Zielgruppen anbelangt. Die datengetriebene Werbung, die Optimierung für Suchmaschinen, wie sie unter anderem durch den Kauf von Backlinks stattfindet – das Marketing im weltweiten Netz gibt vor, wohin sich das TV-Marketing bewegen wird. Im Zeitalter von Smart-TVs und Streamingdiensten verschwimmen die Grenzen zwischen dem Fernsehen und dem Internet immer mehr. Deutlich wird das bei den aufkommenden Second-Screen-Anwendungen. Werbung wird heute wesentlich kreativer in laufende Inhalte eingebunden und vielerorts ist es bereits jetzt möglich, während der Werbung einen Kauf direkt abzuschließen. Der Kunde muss also nicht mehr länger einen Laden aufsuchen oder im Internet nach dem Produkt suchen, die Werbung ist praktisch das Bindeglied zum direkten Kauf.
Natürlich bringen solche Veränderungen auch Gefahren mit sich, nicht nur, was den übermäßigen Konsum, sondern auch, was den Datenschutz anbelangt. Sobald sich allerdings Lösungen finden, auch im Kontext des Verbraucherschutzes, wird auch in Deutschland diese Art der TV-Werbung mehr und mehr traditionelle Formate ersetzen.
Alle, die den traditionellen Fernsehwerbungen hinterhertrauern, darf gesagt werden, dass es wesentlich sinnvoller ist, über den eigenen Medienkonsum, die Wirksamkeit von Werbung und das eigene Kaufverhalten nachzudenken. Was bezweckt die Werbung und wie sehr ist man selbst beeinflussbar? Nur, wer sich als Empfänger der Werbung infrage stellt, weiß korrekt mit den schnellen und deutlichen Veränderungen umzugehen.