Das Nationale Forum Diesel hat getagt, Politik und Konzernchefs haben verhandelt. Heraus kam nichts als Schall und Rauch – so sehen es die Umwelt- und Verbraucherschützer. Nüchtern betrachtet haben sich beide Parteien für die zumindest kurzfristig günstigere Lösung entschieden: Das kostenlose Software-Update für ein 5,3 Millionen Autos, die die Grenzwerte für den Stickoxidausstoß überschreiten. Aber sind die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in den Städten damit vom Tisch
Seit dem vor zwei Jahren heraus kam, dass VW mit den Abgaswerten ihrer Dieselfahrzeuge getrickst hat, geht es rund in Deutschland. Die Autoindustrie geriet schwer in die Kritik, vor allem nachdem klar wurde, dass auch andere Hersteller mit in die Affäre verwickelt waren. Statt VW alleine an den Pranger zu stellen war ein allgemeiner Unmut über den Diesel ausgebrochen, eine Technologie, die eigentlich so viel sauberer sein sollte als Benzin-Motoren.
Bei knapp 15 Millionen Dieselfahrzeugen in Deutschland stellt sich die Frage: Wie lange geht dieser Betrug am Verbraucher schon und was müssten die Konsequenzen daraus sein? Das Problem sind dabei nicht die falschen Werte auf dem Datenblatt – vielmehr geht es darum, dass das gesundheitsschädliche Stickoxid die Luft in den Städten belastet. Dabei hat die EU schon 2010 deutlich gemacht, dass dabei eine Grenze einzuhalten ist. Diese liegt bei 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter.
Die Realität sieht dennoch anders aus: In der Dresdner Bergstraße liegt der Jahresmittelwert bei 45 Mikrogramm, in der Lützner Straße in Leipzig sowie an der Station Leipzig Mitte bei 42 Gramm. Das ist zu viel und kann ernsthafte Folgen haben: Stickstoffoxid ist ein ätzendes Reizgas, das die Schleimhautgewebe schädigt. Neben Augenreizungen können auch Atemnot, Bronchitis, Lungenödeme auftreten, dazu eine steigende Anfälligkeit für Atemwegsprobleme.
Die Dieselfahrzeuge sind aber nicht alleiniger Verursacher des Problems. Neben der Ausstöße der Industrie kommt auch die Bauweise in den Städten hinzu. Große schluchtenartige Straßenzüge ohne Lücken in der Bebauung sind vielleicht städtisch, mondän und attraktiv für die urbane Lebenswelt, sorgen jedoch auch für einen unzureichenden Luftaustausch. Die Gase sammeln sich und werden konzentriert mit der Atemluft eingeatmet. Würden stattdessen aber Baulücken freigelassen, könnte der Luftaustausch stattfinden – eine Entscheidung jedoch, die einträgliche Einnahmequellen zurück stellen würde.
Mit dem Grenzwert der EU kommt also auch die Politik ins Spiel. Werden die maximalen Stickstoffoxid-Levels nicht eingehalten, kommen empfindliche Briefe aus Brüssel an – und mit ihnen die Rechnung. Strafgelder sind ein probates Mittel, um Staaten zum Nachziehen zu bringen, die Politik hat also ein ureigenes Interesse daran, zu handeln.
Dazu kommt noch die enge Verbundenheit von deutschen Autoherstellern und dem deutschen Staat. Die Automobilindustrie steht für rund 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und hat eine lange Tradition. Deutsche Fahrzeuge waren immer ein Qualitätsprodukt, das Wunder deutscher Ingenieurskunst wurde weltweit bewundert. Kann ein Staat verkraften, dass ihre heilige Kuh nun in den Brunnen gefallen ist?
Offenbar nicht – sonst wäre vielleicht eine andere Lösung beim Dieselgipfel heraus gekommen. Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen – den Autoländern – sowie Berlin und Hamburg als stark betroffene Stadtstaaten aber haben sich Volkswagen-Chef Matthias Müllers Aussage unterworfen: „Wir halten es im Grunde genommen für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen. Einmal des Aufwandes wegen, aber auch, weil die Wirkung fragwürdig ist."
Der Ansatz war dabei von Anfang an sehr lösungsorientiert gewählt: Die betroffenen Fahrzeuge, etwa 5,3 Millionen Diesel-Pkw, sollen ihren Stickoxidausstoß bis zum kommenden Jahr um 30 Prozent verringern. Zwei mögliche Optionen standen dabei zur Wahl: Entweder die Hersteller rüsten ihre Sorgenkinder um und bauen für etwa 1.500 Euro pro Fahrzeug neue Filtersysteme ein. Oder aber sie kriegen das Problem mit einem Softwareupdate in den Griff – eine Option, die Umweltministerin Hendricks ursprünglich nur als ersten Schritt gesehen hatte. Wie VW-Chef Müller anmerkte wäre die Nachrüstung weit aufwändiger und somit eigentlich undenkbar für die Autobauer. Die Softwarelösung ist dabei umso günstiger – knapp 100 Euro sind hier pro Pkw zu rechnen - und laut Aussage der Konzernchefs viel leichter zu bewerkstelligen. Sind Einsparungen das größere Wohl für den Verbraucher?
Nun ja, so lange die Grenzwerte anschließend erreicht werden ist auch die Softwarelösung recht – es geht schließlich um das Endprodukt. Aber wer kann die Wirksamkeit überprüfen, wer stellt sicher, dass die Billiglösung ausreicht? Für das Kraftfahrt-Bundesamt wird das noch eine große Frage werden, teure Kontrollen wollen schließlich auch organisiert und bezahlt werden.
Und dann ist da noch die Stickoxid-Belastung in den Städten, die schlicht und ergreifend zu hoch ist. Um diese in den Griff zu kriegen drohten Gerichte Fahrverbote für Dieselautos an. Gerade in Stuttgart ist das schon länger ein Thema, zum 01.01.2018 wird es lokal durchgesetzt. Welche Zonen und Straßenzüge genau betroffen sind, wird sich im weiteren Verlauf des Jahres noch klären. Aber diese Umsetzung wird schwierig: Die Einführung der Blauen Plakette, mit der all jene besonders sauberen Fahrzeuge gekennzeichnet sein sollen, scheint schon jetzt ein Bürokratiemonster zu werden.
Als Ergänzung zu den bestehenden Abgasnormen soll die neue Plakette die Kontrolle in Umweltzonen erleichtern. Neben der Ersichtlichkeit des Schadstoffausstoßes hängt von der jeweiligen Schadstoffklasse auch die Berechnung der Kfz-Steuer ab. Ob und wie diese künftig neu definiert werden könnte, bleibt bisher offen. Zusätzlich sollen schließlich Anreize geschaffen werden, damit Verbraucher ihren schmutzigen Diesel gegen neue, schadstoffarme Modelle eintauschen.
Zunächst sollen dafür die Hersteller Prämien ausschreiben. Die enge Verbundenheit von Politik und Automobilindustrie jedoch könnte sich hier wieder einmal für die Autokonzerne bezahlt machen – denn wie bereits klar wurde, hat auch diese ein Interesse an der sauberen Luft und zudem Angst vor Brüssel. Hörigkeit, rückgratloses Einknicken vor der Autoindustrie – so nennen das Industriekritiker und Umweltschützer.
Die Umrüstung muss bald erfolgen, die Diesel-Besitzer werden wohl in nicht allzu ferner Zukunft zum Softwareupdate gebeten werden. Wie weit dieses die Abgaswerte senken kann, ist noch unklar, auch wenn die Zusage der Autochefs klar ist: Die Senkung um 30 Prozent wird damit erfolgen.
Ob das bereits der ganze große Zauber des Dieselgipfels gewesen ist, bleibt ebenfalls im Dunkeln. Nur eins kann am Ende die Wahrheit sprechen: Das Stickoxidmessgerät, dass in Straßenzügen genau beobachtet, was hinterlassen wird.
Darauf wird Brüssel sich am Ende stützen – und damit auch die Gerichte, die letztendlich entscheiden, ob sie Fahrverbote verhängen oder eben nicht. In beiden Fällen jedoch geht die Zahlung vom Konto des Steuerzahlers ab. Der, der sich ein eigentlich so sauberes Dieselfahrzeug gekauft hat und es am Ende nicht nutzen kann, wo er es braucht – und der, der jeden Tag das Fahrrad nimmt, umweltbewusst und nachhaltig handelt und eben doch stetig in den großen Topf einzahlt. Denn woher kommt das Geld für die Strafzahlungen an die EU? Richtig, am Ende aus dem Fiskus.
Die Fahrverbote sind mit diesem "Luftreinhalte-Notfalltreffen" nämlich ganz und gar nicht vom Tisch. 5,3 Millionen Fahrzeuge möglichst gleichzeitig in den Werkstätten nachrüsten? Das ist auch ein Ding der Unmöglichkeit. Die Gerichte aber müssen handeln und das bald: Keiner möchte Clinch mit Brüssel. Die Länder haben bei der Pflicht zur Luftreinhaltung schlichtweg geschlampt: Statt konsequent zu kontrollieren und auch den Ausstoß der Industrie in den Blick zu nehmen, wurde den Autobauern zur Liebe mit der Einhaltung der Richtlinien gewartet und stetig aufgeschoben. Der Dieselgipfel war nun quasi gerichtlich angeordnet – eigentlich ist auch dies ein Ding der Unmöglichkeit, dass ein Verwaltungsgericht mit harten Bandagen durchsetzen muss, was den Ländern zur Einhaltung obliegt.
Volker Angr, Leiter der ZDF-Umweltredaktion sieht das ganz richtig: "Wie kann man das als Erfolg verkaufen, was für Millionen von Dieselfahren seit Wochen selbstverständlich ist – das kostenlose Softwareupdate" fragt er in seinem Kommentar im heute-journal, am Abend nach dem Gipfel. "Fassungslosigkeit macht sich breit, denn der Diesel kann durchaus eine saubere Technik sein, eine riesen Chance, doch von den Herstellern kaum genutzt."
Ob der Gipfel nun tatsächlich einen Impuls in Richtung sauberere Mobilität geben wird, ist fragwürdig. Ebenso der Ausgang, wie Volker Angr abschließend feststellt: "Dieser Gipfel fällt den Falschen auf die Füße."