Dresden - Es war zweifelsohne eine außergewöhnliche Sitzung im Dresdner Stadtrats am Donnerstagabend in der Messe Dresden. Neben zwei von stillem Protest begleiteten aktuellen Stunden beschloss der Stadtrat auch, dass Investoren in Dresden künftig nur noch halb so viele Sozialwohnungen anbieten müssen wie bisher. Weiteres Thema war u.a. auch die Ausrichtung des diesjährigen Striezelmarktes trotz steigender Corona-Infektionszahlen.
Zunächst waren da zwei aktuelle Stunden, die die Gemüter früh erhitzten: Die AfD wollte über eine vermeintlich gescheiterte Integration und Kriminalität durch Migranten reden. Die Stadträte der Linken-Fraktion stellten sich der ihrer Meinung nach rassistischen Hetze symbolisch mit Protestshirts entgegen und brachten ihrerseits eine weitere aktuelle Stunde ein, bei der u.a. Vertreter von No Pegida und der Banda Internationale Rederecht erhielten. Anschließend sprach Dresden Oberbürgermeister Hilbert über die einsetzende zweite Welle der Coronapandemie. Einen erneuten Lockdown gelte es unbedingt zu verhindern. Um die Ausrichtung des Dresdner Striezelmarktes kämpfe man von Seiten der Stadt "wie verrückt". Später beschloss der Stadtrat dafür die Ausweitung der Striezelmarktflächen, um die Gefahr größerer Menschenansammlungen zu senken. Große Fragezeichen um Deutschlands ältesten Weihnachtsmarkt bleiben angesichts rapide steigender Infektionszahlen allerdings bestehen. Schon jetzt ist klar: Ein coronanagepasster Striezelmarkt verursacht der Landeshauptstadt Mehrkosten von mindestens einer halben Million Euro. Und für die Händler ist die 586. Auflage des Striezelmarktes ein finanzielles Vabanque-Spiel: Gestiegene Kosten durch Hygienemaßnahmen, abzuführende Sondernutzungsgebühren und allgemeine Ungewissheit, wieviele Besucher im Coronajahr überhaupt nach Dresden kommen, könnten das Vorhaben Striezelmarkt für sie unwirtschaftlich machen und so doch noch zum Erliegen bringen.
Zum Erliegen gebracht hat der Stadtrat am späten Abend dann tatsächlich noch etwas: In einer Art "Überraschungscoup" nutzte eine abwesenheitsbedingte Mehrheit aus AfD, CDU, FDP und Freien Wählern die Gunst der Stunde und kippte kurzerhand die Regeln für Sozialen Wohnungsbau in Dresden. Bisher mussten Privatinvestoren knapp ein Drittel ihrer Wohnungen als Sozialwohnungen mit gedeckeltem Mietpreis anbieten, diese Zahl wurde nun mit der Stimme des Oberbürgermeisters halbiert. Das könnte teure Konsequenzen für den sozialen Wohnungsmarkt haben. Was folgte war eine Tirade spontaner Verhinderungsanträge und wütende Gegenreaktionen. Angesichts des sichtlich erschütterten Vertrauensverhältnis zwischen den Stadtratsfraktionen könnten die anstehenden Haushaltsverhandlungen über den neuen Dresdner Doppelhaushalt 2021/2022 zu einer echten Zerreißprobe für Dresdens Stadtpolitik werden: Denn harte Sparmaßnahmen sind aufgrund der Corona-Pandemie unvermeindbar. Welche der geschassten Fraktionen aber nach gestern Abend bereit ist, ihre eigenen Interessen hinten anzustellen, ist mehr denn je fraglich.