Fr, 14.07.2017 , 17:40 Uhr

Dresden ist Vorreiter in der Krebs-Therapie mit Protonen

Dresden – Wissenschaftlern des Dresdner OncoRay-Zentrums ist es in Kooperation mit ihren Kollegen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) gelungen, die Qualität der Bestrahlungsplanung für die Protonentherapie auf ein weltweit einmaliges Niveau zu heben. Sie entwickelten ein neuartiges Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Reichweite des Protonenstrahls und zeigten dessen Gültigkeit für die Anwendung am Patienten.

Grundlage hierfür war die in Dresden erstmals zur Bestrahlungsplanung eingesetzte Bildgebungsmethode der Dual-Energy Computertomographie. Patienten der Universitäts Protonen Therapie Dresden (UPTD) profitieren seit Juli 2017 unmittelbar von den Forschungsergebnissen.

Protonen besitzen für die Krebstherapie besonders günstige Eigenschaften: Sie geben bei richtig gewählter Ausgangsenergie den Großteil ihrer Energie im Tumor ab und kommen kurz darauf zum Stillstand. Gesundes Gewebe wird so optimal geschützt. Dieser besondere Vorteil kommt aber nur dann voll zum Tragen, wenn die positiv geladenen Wasserstoffkerne exakt an der richtigen Stelle im Körperinneren stoppen. Aus diesem Grund müssen die Medizinphysiker die Eigenschaften der vor dem Tumor liegenden Gewebe so genau wie möglich bestimmen. Denn sie bedingen, wie stark der Protonenstrahl bei seinem Weg durch den Körper abgebremst wird.

Die Analyse der Gewebeeigenschaften erfolgt in der Regel anhand einer aus zahlreichen Schnittbildern zusammengesetzten Computertomographie (CT)-Aufnahme. An der Universitäts Protonen Therapie Dresden wird hingegen seit 2015 erstmals die Dual-Energy Computertomographie (DECT) zur Bestrahlungsplanung eingesetzt. Das Verfahren liefert jeweils zwei CT-Aufnahmen, die mit unterschiedlichen Röntgen-Energien erzeugt werden. Aus ihnen lassen sich deutlich mehr Informationen über die Zusammensetzung von Geweben gewinnen als bisher.

Tumoren mit höchster Zielgenauigkeit zerstören

Anhand von DECT-Aufnahmen von 50 Patienten mit Hirn- oder Prostatatumor konnten OncoRay-Wissenschaftler nun zeigen, dass bei der bisherigen Standardmethode zur Berechnung der Reichweite des Protonenstrahls klinisch relevante Abweichungen auftreten können. „Die Protonen dringen bei tiefliegenden Tumoren etwa vier Millimeter weiter in den Körper ein, als es unsere bisherigen Berechnungen voraussagen“, erklärt Dr. Christian Richter, Leiter der Gruppe „Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am OncoRay-Zentrum und am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Zur Auswertung der DECT-Bilder nutzten die Wissenschaftler ein neues, sehr präzises Berechnungsverfahren, das Forscher des DKFZ als Teil des Heidelberger Instituts für Radioonkologie (HIRO) entwickelten. Mit diesem Algorithmus lässt sich das Bremsvermögen des Gewebes in jedem Bildpunkt bestimmen. In umfangreichen Untersuchungen konnten die Dresdner und Heidelberger Forscher nachweisen, dass das Verfahren in realen Bedingungen im menschlichen Gewebe sehr genau und verlässlich funktioniert. „Hiervon ausgehend konnten wir die bisherige Planungsmethode um die systematische Abweichung korrigieren. Damit können wir den Tumor ab sofort noch zielgenauer bestrahlen. Dadurch, dass der Strahl durch die verbesserte Planung weniger tief in den Körper eindringt, wird zudem noch weniger gesundes Gewebe hinter dem Tumor mitbestrahlt“, erklärt Prof. Mechthild Krause, Leiterin der Protonentherapie und Direktorin des OncoRay-Zentrums. Hiervon profitieren seit Juli 2017 rund Dreiviertel aller Patienten an der Dresdner Protonentherapie.

Weitere Verbesserung für 2018 geplant

Das Team um Christian Richter konnte aber nicht nur die Genauigkeit der bisherigen Berechnungen deutlich erhöhen, sondern darüber hinaus zeigen, dass in der individuellen Gewebezusammensetzung einzelner Patienten therapierelevante Unterschiede bestehen, die sich mit der momentanen Standardmethode nicht berücksichtigen lassen. Das neue Berechnungsverfahren soll daher künftig anstelle der Standardmethode eingesetzt werden, um die Therapie noch passgenauer auf den jeweiligen Patienten zuzuschneiden. Ein in Zusammenarbeit mit Siemens entwickelter Prototyp, der den innovativen Algorithmus klinisch anwendbar macht, soll an der Dresdner Protonentherapie 2018 eingeführt werden. „Mit diesem Verfahren wird unsere Bestrahlungsplanung dann so genau sein, dass wir das Zielgebiet bei der Bestrahlung mit Protonen noch weiter verkleinern können. Denn um den Tumor wird immer ein Sicherheitssaum aus gesundem Gewebe mitbestrahlt, um sicherzugehen, dass auch wirklich alle Tumorzellen von den Strahlen getroffen werden. Bei einem Tumor in 25 Zentimetern Tiefe beträgt dieser Sicherheitssaum derzeit etwa zehn Millimeter. Auf Grundlage der neuen Berechnungsmethode können wir den Saum deutlich verkleinern“, erklärt Dr. Richter. „Gerade bei der Bestrahlung von Tumoren in sehr sensiblen Regionen wie im Gehirn können wenige Millimeter ausschlaggebend sein, um schwerwiegende Nebenwirkungen, die durch die Bestrahlung hervorgerufen werden können, zu vermeiden“, sagt Prof. Krause.

Neuartige Bildgebungsmethode zur Bestrahlungsplanung

Wichtige Voraussetzung für die aktuellen Forschungsergebnisse war die erstmalige Einführung der DECT-Methode zur Bestrahlungsplanung am Universitätsklinikum Dresden im Frühjahr 2015. Sie lieferte bislang rund 2.000 Aufnahmen aus dem Patienteninnern, die den Forschern für ihre Arbeit zur Verfügung stehen. Vor der klinischen Einführung optimierten die OncoRay-Wissenschaftler das hochpräzise Verfahren zunächst soweit, dass es ohne zusätzliche Strahlenbelastung für den Patienten eine im Vergleich zu herkömmlichen CT-Aufnahmen bessere Bildqualität liefert. Die aktuelle Anpassung der Bestrahlungsplanung und die klinische Einführung des verbesserten Algorithmus im kommenden Jahr bringen die Vorteile der DECT-basierten-Planung nun voll zum Tragen.

Eine wichtige Grundlage dafür, dass in Dresden Forschungsergebnisse schnell und erfolgreich in die klinische Anwendung übertragen werden können, ist die fächer- und institutionenübergreifende Struktur des OncoRay-Zentrums, das vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, der Technischen Universität Dresden und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) getragen wird. Die enge Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Institut für Radioonkologie im Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie ermöglicht es zudem, Kompetenzen zu bündeln und Projekte zu realisieren, die an einem der Standorte allein nicht umsetzbar wären.