Die Zunahme von Schimpftiraden, Anfeindungen und Bedrohungen gegen Lokalpolitiker wirft ein bedenkliches Schlaglicht auf die bevorstehenden Kommunalwahlen 2024. In immer mehr Kommunen berichten Amtsträger von einem Klima der Feindseligkeit, das sie mitunter sogar physisch bedroht. Ein alarmierendes Beispiel ist Götz Ulrich, Landrat des Burgenlandkreises in Sachsen-Anhalt, der regelmäßig mit beleidigenden und bedrohlichen Schreiben konfrontiert wird. Selbst nachdem er sich gegen einen geplanten Demonstrationszug der AfD zu seinem Wohnhaus wehrte, wurden die Angriffe gegen ihn intensiver und erreichten mittlerweile eine deutschlandweite Reichweite.
Nicht nur Götz Ulrich, sondern auch viele andere Lokalpolitiker sehen sich einem wachsenden Strom von Hass und Gewalt ausgesetzt. Die Körber-Stiftung veröffentlichte alarmierende Zahlen: 40% der ehrenamtlichen Bürgermeister wurden bereits wegen ihrer Tätigkeit beleidigt, bedroht oder sogar tätlich angegriffen. Diese feindselige Atmosphäre macht viele Amtsträger nachdenklich und führt dazu, dass einige von ihnen erwägen, sich aus der Politik zurückzuziehen. Die genaue Anzahl der potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich aufgrund von Feindseligkeit oder negativen Vorahnungen von einer Kandidatur abschrecken lassen, ist bisher nicht erfasst. Jedoch lassen Statistiken einen alarmierenden Trend erkennen. Laut Angaben des Städte- und Gemeindebunds und einer Analyse der Linken in Sachsen ist ein deutlicher Rückgang der Bewerberzahlen für kommunale Ämter zu verzeichnen. Verglichen mit 2019, als noch etwa 2300 Personen kandidierten, sank die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber in diesem Jahr auf etwa 1700. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob bald Hunderte von Bürgermeisterposten in Deutschland unbesetzt bleiben könnten, wie es von Portalen wie Kommunal.de spekuliert wird.
Ein besonders dramatisches Beispiel für die Auswirkungen des wachsenden Hasses auf Lokalpolitiker ist der Rücktritt von Markus Nierth, dem ehemaligen Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt im Jahr 2015. Der Grund: Bedrohungen durch Proteste der rechtsextremen NPD gegen ein Asylbewerberheim. Nierth äußert heute, dass die gleichen Methoden der Einschüchterung, die einst von der NPD angewendet wurden, nun von der AfD übernommen werden. Seine Erfahrung verdeutlicht, wie politische Akteure vor Ort mit solchen Bedrohungen umgehen. Nierth fühlte sich im Stich gelassen und sogar als "Nestbeschmutzer" bezeichnet, weil er Interviews gab. Letztendlich fand er jedoch Schutz durch die Medienöffentlichkeit, nicht durch die Einwohner.
Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer warnt vor einer zunehmenden Bedrohungslage für politisch Engagierte auf kommunaler Ebene. Hass, Hetze, Beleidigungen und sogar physische Angriffe seien längst keine Ausnahmen mehr, sondern trauriger Alltag. Die Polizei allein könne nicht für den Schutz aller sorgen, daher sei Solidarität in der Gesellschaft gefragt. Kramer betont, dass Einschüchterungstaktiken eine bekannte Strategie des Rechtsextremismus seien, um Menschen mit Haltung aus dem politischen Raum zu verdrängen. Vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunalwahlen am 9. Juni in verschiedenen Bundesländern warnt er vor einer weiteren Zunahme solcher Einschüchterungsversuche und ruft zur Wachsamkeit auf. Thüringen wählt bereits am 26. Mai. Trotz der zunehmenden Bedrohungen und Einschüchterungsversuche bleiben viele Lokalpolitiker standhaft und engagiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont immer wieder die Bedeutung des kommunalen Engagements für die Demokratie und ruft dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen. Auch der Ostbeauftragte Carsten Schneider spricht sich für eine entschiedene Haltung gegen Hass und Gewalt aus und fordert mehr Schutz für diejenigen, die sich politisch engagieren.
(dpa)