Leipzig - In dem "Fahrradgate"-Skandal um den illegalen Weiterverkauf von Rädern bei der Polizei Leipzig beginnt am Dienstag der Strafprozess vor dem Landgericht Leipzig.
Angeklagt ist die frühere Leiterin der Asservatenkammer wegen Diebstahls, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung, wie ein Gerichtssprecher sagte. Laut Anklage wirft die Generalstaatsanwaltschaft der Frau vor, von August 2014 bis November 2018 mindestens 265 Fahrräder an Dritte weitergegeben oder selbst genutzt zu haben. Von den Abnehmern - zu einem Großteil Polizisten - soll sie dafür meist eine "Spende" von 50 Euro bekommen oder verlangt haben.
Die Räder waren überwiegend bei Diebstählen entwendet und später von der Polizei sichergestellt worden. Zur Lagerung kamen sie in die Asservatenkammer der Polizeidirektion Leipzig. Nach früheren Angaben der Generalstaatsanwaltschaft hätten die ursprünglichen Besitzer aber "kein Interesse" mehr daran gehabt.
Eine interne Prüfung im Auftrag des sächsischen Innenministeriums hatte vor rund dreieinhalb Jahren kein kriminelles Netzwerk zutage gebracht. Es habe keine strukturelle Korruption gegeben, es sei keine organisierte, sondern "individuelle Kriminalität" gewesen, hatte der frühere Generalstaatsanwalt des Freistaates, Klaus Fleischmann, nach der Sitzung des Landtags-Innenausschusses gesagt.
Das pflichtwidrige Handeln eines Menschen sei durch Bagatellisierung der Vorgänge und mangelnde Kommunikation begünstigt worden.
Es sei lange nicht genau hingesehen und lange nicht gehandelt worden, hatte der damalige Innenminister Roland Wöller (CDU) gesagt. Er sprach von "hoher krimineller Energie einer Einzelperson", deren Handeln durch Struktur, Organisation sowie Kommunikations- und Führungsdefizit begünstigt worden sei. Unter anderem auch wegen des "Fahrradgate"-Skandals und weiteren Vorfällen bei der sächsischen Polizei entließ Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließlich vor knapp zwei Jahren den Innenminister.
Die Weitergabe der Fahrräder war dem internen Bericht zufolge auf dem Papier oder in der Datenbank als Schenkung an gemeinnützige Vereine vermerkt worden. In Wirklichkeit aber wurden sie an Interessenten verkauft. Auch zahlreiche Beamte und Bedienstete machten gegen ein «Trinkgeld» ein Schnäppchen. Der Trick dabei: «Die Empfänger haben die Entgegennahme für einen eingetragenen Verein quittiert, sich in Wirklichkeit aber ein Fahrrad unter den Nagel gerissen», hatte der ehemalige Generalstaatsanwalt erläutert.
Das Landgericht hat für das Verfahren insgesamt zehn Termine bis 11. Juni angesetzt. (mit dpa)