Dresden - Was bedroht unsere Demokratie von außen und innen? Zu diesem Thema hat am Dienstagabend der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck in Dresden gesprochen. Auf eine Einladung von Landtagspräsident Matthias Rößler, sprach er unter anderem über die AfD und den Russland-Ukraine-Konflikt.
Die AfD ist in Sachsen auf dem Vormarsch, Diskussionen um Parteiverbote schüren das Feuer nur noch mehr an. Dennoch, für Gauck ist die AfD keine Alternative. Sie würde Menschen abholen, die Ängste haben. Doch was für eine Angst meint der Bundespräsident genau? Gauck betonte, dass es Menschen gebe, die schlicht nicht viel Veränderung und Mitbestimmung, sondern eine eher autoritär geprägte Gesellschaftsform wollen - oder anders ausgedrückt: wo erkennbar sei, was man von früher kennt. Doch wie erreicht man diese Menschen, ohne dass sie zum Protestwähler werden?
Für die Menschen, die sich vor dem Wandel fürchten, braucht es Botschaften: Du darfst beheimatet bleiben in dem Land, in dem deine konservativen Bedürfnisse, deine Familie zu achten, deine Traditionen zu achten, deinen christlichen Glauben zu achten, deine Heimat zu lieben, rechtstreu zu sein.
Bezüglich der AfD-Wählerschaft müsse man das Schubladendenken aufbrechen.
"Ja, wer Höcke wählt, der wählt ja Nazis." Dann denkst du "Alle, die Höcke wählen, sind Nazis". Kannst du machen, aber wenn du mal unter das Wahlvolk gehst, merkst du "Nein, Glasermeister Meyer will eigentlich nicht den Führer." Der hat nur bestimmte Probleme mit einer Gesellschaft, die ihm zu offen ist. Er will zum Beispiel nicht so viele Ausländer. Und da guckt er nun seine konservative Partei an, die er früher gewählt hat. Und da hat er festgestellt, dass Frau Merkel und die Ihrigen, die immerhin viele Wahlen gewonnen haben, gesagt haben "Das schaffen wir." Und sie hat aber nicht gesagt, "wie". Und deshalb ist der jetzt sauer. Er fragt sich, wer ist da, um das aufzunehmen? Und da fand er in der Union zu wenig. Und da hat er gesagt "Na, da gucken wir mal woanders hin."
Doch nicht nur die AfD war an diesem Abend Thema. Zum Thema Demokratie zog Gauck auch Vergleiche mit der Situation anderer Länder. Hier gebe es für ihn auch sichtbare Widersprüche, was vereinzelte, in Deutschland lebende Ausländer betrifft.
Meine Sorge ist nicht bei Adolf Hitler, sondern mir reicht schon, wenn wir bei Orban landen würden. [...] Oder wie einige unserer türkischen Staatsbürger, die hier wunderbar ihre deutschen Einkünfte und Renten kassieren und ihre deutschen Rechte und wo die weiblichen Frauen ihre Frauenrechte leben können. Und dann gehen sie hin und wählen Erdogan - leben hier bei uns. Und das ist eine Gefahr, dass mehr Leute der liberalen Richtung unserer offenen Gesellschaft nicht mehr trauen.
Die letzte Äußerung des Bundespräsidenten richtete sich an diesem Abend an den Russland-Ukraine-Konflikt und der Frage nach einer möglichen Lösung.
Ein Volk, das keinen Anlass gegeben hat, das nicht erobern wollte, aber angegriffen wird und dem die eigene Existenz weggenommen werden soll-- ein solches Volk nicht zu unterstützen, was heißt denn das? Das ist doch 'ne Einladung. Das nächste Mal nimmt er sich Moldawien und dann, wenn das gut geht, dann Estland. [...] Wenn der "Boss" merkt, dass das Opfer zittert, dann gibt es kein Halten mehr. Dann sagt er nicht "Oh, das arme Opfer, mein Herzchen schmilzt dahin", sondern er sieht neue Möglichkeiten. Und so, wie im nationalen Bereich die Bevölkerung auch durchsetzt ist mit Menschen, die Verbrecher sind, die das Recht nicht achten, so etwas gibt es eben auch international. [...] Und deshalb gibt es unsere Verteidigungsbündnisse, die das Recht schützen.