Mannheim – Das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung wurde seit seiner Inkraftsetzung im Jahre 2006 zum zweiten Mal aktualisiert und modernisiert. Die Änderungen nehmen Entwicklungen aus dem beobachteten Sprachgebrauch auf. Über eine Aufnahme des großen ẞ in das deutsche Alphabet wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert. Ab sofort ist es Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung.
Das „Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung“ liegt in einer aktualisierten Fassung vor. Es setzt die im „Bericht des Rats für deutsche Rechtschreibung für die Periode 2011 bis 2016“ enthaltenen Änderungen um. Die Änderungen im Regelwerk sind von den zuständigen staatlichen Stellen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens bestätigt und damit wirksam geworden. Eine der bedeutendsten Änderungen ist: Die Verwendung des Großbuchstabens „ẞ“ neben „SS“. Insbesondere für die korrekte Schreibung von Eigennamen in Pässen und Ausweisen ist dies wichtig. Beispielsweise musste sich Landtagspräsident Matthias Rößler bisher in Versalschreibweise mit einem doppelten anfreunden. Durch die Änderung kann er korrekterweile RÖẞLER geschrieben werden. Optisch ist der neue Buchstabe eine Mischung aus kleingeschriebenem ß und einem großgeschrieben B.
Für den Computersatz gibt es mittlerweile eine gewisse Auswahl an Schriften mit ẞ. Haupthindernis für die praktische Nutzung war lange Zeit, dass jeder Hersteller das Zeichen anders kodiert hat. Anfang 2008 wurde das große ß als neues Zeichen in den internationalen Standard Unicode für Computerzeichensätze aufgenommen. Trotzdem gibt es das große Eszett (ẞ) auf deutschen Standardtastaturen bisher nicht. Der Standard-Algorithmus zur Umwandlung in Großbuchstaben wandelt weiterhin das kleine „ß“ in „SS“ um. Es gibt aber zahlreiche Wege, es dennoch einfach einzugeben. Der einfachste ist wohl vorerst kopieren und einfügen. Es gibt einzelne Hersteller, die eine Tastatur mit großem Eszett in der DIN-normierten deutschen T2-Belegung (»Europastatur«) anbieten. Die T2-Belegung kann auch einfach als Software-Belegung unter Windows installiert werden. Das große Eszett wird dann über AltGr + H eingegeben.
Einzelne Wortschreibungen sind an den beobachteten Schreibgebrauch angepasst worden. Weiterhin fassen die Neuerungen den beobachteten Gebrauch bei der Schreibung von festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv in Regeln. Die umformulierten Regeln machen deutlich, wann in diesen Fällen klein- bzw. großgeschrieben wird und wann beide Schreibungen zulässig sind. So ist bei wörtlichem bzw. bildhaftem Gebrauch wie in „der freie Mitarbeiter“ und „die gläserne Decke“ die Kleinschreibung der Regelfall. Bei besonderen Anredeformen wie der Heilige Vater gilt die Großschreibung. Fälle mit schwankendem Gebrauch wie z.B. „die mittlere/Mittlere Reife“, „die goldene/Goldene Hochzeit“ oder auch „der technische/Technische Direktor“werden neu grundsätzlich in beiden Schreibungen angesetzt. Des Weiteren hat der Rat das amtliche Wörterverzeichnis angepasst. Insbesondere hat er in die Vorbemerkungen den Hinweis auf die in Ländern mit mehreren Amtssprachen gängige Praxis aufgenommen, nach der die originäre Schreibung bei Amtssprachen grundsätzlich zulässig ist. Darüber hinaus wurden einzelne Eintragungen geändert. Dazu hat der Rat den Schreibgebrauch erhoben und die Ergebnisse daraufhin geprüft, ob sie den Regularitäten der deutschen Rechtschreibung entsprechen. Davon betroffen ist in erster Linie die Fremdwortschreibung. Variantenschreibungen wie „Anschovis“, „Frotté“, „Komplice“, „Majonäse“, „Wandalismus“ oder „Ketschup“, die zum Teil schon seit Jahrzehnten in den Wörterbüchern standen, werden nicht mehr fortgeschrieben, sondern entfallen. Dafür greift das Wörterverzeichnis neu z.B. die Bindestrichschreibung in Fällen wie „Ex-Regierungschef“ und „Co-Trainer“ auf. In manchen Fällen wurden erkennbare Tendenzen nicht aufgenommen: Ein Beispiel hierfür ist die häufig zu beobachtende Schreibung „(sei) herzlich *Willkommen“. Denn „willkommen“ ist in dieser Verwendung adjektivisch. Die Großschreibung bleibt aber weiterhin auf die substantivische Verwendung wie in „ein herzliches Willkommen“ beschränkt. Eine vollständige Auflistung der geänderten Wortschreibungen ist im dritten Bericht des Rats enthalten. Er ist ebenso wie das aktualisierte amtliche Regelwerk auf der Ratswebsite einzusehen.