Leipzig- Michael Schönrock sitzt in einem Hostelzimmer in Leipzig und lobt die Unterkunft. Der 39-Jährige ist ebenso wie sein Zimmerkumpel Wladimir kein Feriengast. Schönrock ist obdachlos, seit sieben Jahren.
Im «HomePlanet» Hostel hat er für diesen Winter eine Bleibe gefunden. Das Hostel stellt eine Etage für wohnungslose Menschen zur Verfügung, kostenlos - mit Frühstück und Abendbrot.
Die Idee sei in der Corona-Zeit entstanden, erzählt Stefanie Koch, die sich im Hostel um die Buchhaltung kümmert. Im Lockdown standen die Zimmer leer. Erst durfte niemand übernachten, und als man wieder durfte, kam keiner mehr, so Koch. Moralisch ginge das einfach nicht – leerstehende Räume und draußen seien Minusgrade und Leute auf der Straße. Eine Mitarbeiterin sei dann mit der Idee gekommen, die Zimmer Obdachlosen zu geben. Vorbild war ein Hamburger Projekt, auch anderswo entstanden 2020/21 solche Initiativen.
Finanziert wird alles über Spenden. Über eine Crowdfunding-Plattform sammelt ein Verein Geld. 59 Euro pro Nacht kosten pro Person ein Schlafplatz und das Essen. Für das Hostel im Stadtteil Connewitz werden damit die Sach- und Personalkosten gedeckt. In diesem Jahr, in denen die Menschen mit Inflation und hohen Energiepreisen zu kämpfen hätten, sei es schwierig, die benötigten Spenden zusammenzubekommen, erklärte Koch. Gesammelt werde noch bis Anfang März.
Die obdachlosen Hostelgäste sind froh über die Möglichkeit, die das «HomePlanet» ihnen bietet. Ralf Mertes war im vorigen Winter einer von ihnen. Zuvor habe er seit gut einem Jahr auf der Straße gelebt, erzählt der gebürtige Sauerländer. Private Schicksalsschläge hätten ihn aus der Bahn geworfen, Drogen kamen dazu. Dann ging es bergab, und man finde sich da wieder, wo man nicht hinwollte, sagt der 51-Jährige.
In dieser Saison ist Mertes wieder im «HomePlanet» - allerdings in anderer Lage. Er habe inzwischen eine Entgiftung gemacht sowie eine Langzeittherapie und Nachsorge. Anfang März will er in seinen alten Job als Speditionskaufmann zurückkehren, auch eine Wohnung hat er dann wieder. Vorher muss der 51-Jährige ein achtwöchiges Praktikum absolvieren. Darum mache er jetzt im Hostel «alles, was anstehe». Ralf schmeiße den Laden, erklärte Koch. Mertes hat einen guten Draht zu den Bewohnern, sitzt mit ihnen auch mal auf einer Bank aus alten Autokennzeichen draußen und trinkt einen Kaffee.
Für Stefanie Koch ist er ein Beleg dafür, dass die Idee funktioniert und man Menschen wirklich helfen kann. Neben Mertes hätten noch drei andere Bewohner aus der vorigen Saison inzwischen wieder feste Wohnungen. Es gebe um das Hostel drumherum eine «Bubble» aus Helfern - Vereine, Streetworker, auch eine Ärztin, die sich kümmert. Aber besonders wichtig sei, dass die Teilnehmer im Hostel einfach Zeit bekommen, sich um ihre eigenen Belange zu kümmern.
Beim Hamburger Vorbild der Leipziger, der Initiative Hotels for Homeless, läuft in diesem Jahr schon die vierte Saison. Seit 2020 seien mehr als 100 Obdachlose in Hostelzimmern untergebracht worden, sagt Nikolas Migut vom Verein Straßenblues. Die Hamburger wollen jetzt aber einen Schritt weitergehen. Es wird geplant, ab 1. März Menschen langfristig in Wohnungen unterzubringen und derzeit suche man Wohnungen zur Miete. Wahrscheinlich werde es in Zukunft von den Hostels eher zu «Homes for Homeless» gehen. Das sei auf lange Sicht wohl die bessere Lösung.
Das «HomePlanet» in Leipzig würde im nächsten Winter «idealerweise» gerne weitermachen, sagt Koch. Allerdings hängt das von der Finanzierung ab. Der normale Hostelbetrieb läuft inzwischen auch wieder. Hostelgast Schönrock schmiedet noch keine langfristigen Pläne. «Das sei die erste Erfahrung, die er so mache und mitnehme.
Quelle: dpa