Dresden – Die Landeshauptstadt gilt neben Leipzig als Hochburg rassistisch motivierter Angriffe. In Sachsen wurden vergangenes Jahr 437 Gewalttaten gezählt. Die Zahl von Angriffen insgesamt ist zum Vorjahr um 40 gesunken. Am Dienstag die Opferberatung des RAA Sachsen e.V. ihre Jahresstatistik veröffentlicht.
Nach Kenntnis der Beratungsstellen richtete sich die rechte Gewalt gegen mindestens 685 Personen. Angriffe auf politische Gegner_innen gingen stark zurück, von 141 im Jahr 2015 auf 62 im Jahr 2016. Rassistisch motivierte Angriffe hingegen stiegen erneut leicht an, von 285 auf 306. Vor diesem Hintergrund fordert die Opferberatung des RAA Sachsen klare Positionierungen gegen Rassismus und wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz von Geflüchteten im Freistaat.
„Zwar ist rechtsmotivierte Gewalt in Sachsen erstmalig seit 2012 wieder leicht zurückgegangen, allerdings verbleiben die Angriffszahlen auf sehr hohem Niveau. Innerhalb von vier Jahren haben diese sich fast verdreifacht und seit zwei Jahren bewegen sich die Angriffszahlen auf dem höchsten Stand seit Bestehen der Opferberatungsstellen. Für viele Betroffene ist es Alltag, bedroht, beleidigt oder angegriffen zu werden. Wir befürchten, dass rechte Gewalt auch in absehbarer Zeit nicht deutlich zurückgehen wird, sondern eine bedrohliche Normalisierung eintritt“, fasst Andrea Hübler, Fachreferentin der Opferberatung die Brisanz der Lage zusammen.
Schwerpunkte der Gewalt sind wie im Jahr zuvor die Städte Dresden (114) und Leipzig (50) sowie die Landkreise Leipzig (45) und Bautzen (51). Im Landkreis Bautzen hat sich die Zahl der Angriffe im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. „Vor allem die Stadt Bautzen stach mit insgesamt 37 Angriffen hervor. Die Auseinandersetzunge zwischen 80 Neonazis und 20 geflüchteten Jugendlichen auf dem Kornmarkt und die anschließende Jagd durch die Innenstadt im September, Bedrohungen und Attacken auf politische Gegner_innen am Rande von Demonstrationen sowie die rassistischen Übergriffe nach Fakenews zu vermeintlichen Anschlagsplänen im November sorgten bundesweit für Aufmerksamkeit, sind jedoch nur einige der zahlreichen Attacken durch eine gut organisierte Neonaziszene in Bautzen und Umgebung. Zuletzt wurde Ende Dezember eine Gruppe von sieben Mitgliedern der Linksjugend von etwa zehn Vermummten angegriffen und gejagt. Die Jugendlichen erlitten zum Teil schwere Verletzungen,“ so Andrea Hübler.
Am häufigsten handelte es sich bei den Angriffen um Körperverletzungen (301), darunter 147 einfache, 152 gefährliche und 2 schwere Körperverletzungen. Wie bereits im Vorjahr wurden 22 Brandstiftungen in Sachsen verübt, 19 davon auf Asylunterkünfte. Insgesamt gingen die Angriffe auf oder im Umfeld von Asylunterkünften zurück von 74 auf 53. Die meisten dieser Angriffe wurden im Landkreis Bautzen (8) und in der Stadt Leipzig (8) verübt, ebenso wie Brandanschläge auf Asylunterkünfte, 3 in Leipzig und 5 im Landkreis Bautzen. „Die rechtsmotivierte und rassistische Gewalt in Sachsen reißt nicht ab. Die Hemmschwelle ist weiterhin niedrig, befeuert durch rassistische Hetze in der Politik, auf der Straße und im Internet. Besonders erschreckend zeigt sich dies an der Häufigkeit, mit der Kinder und Jugendliche angegriffen wurden. 73 Betroffene der von uns gezählten Angriffe waren jünger als 16 Jahre, 2015 waren das noch 42. Neben der Einsicht, dass Sachsen ein Problem mit rechts hat, bedarf es jetzt konkreter politischer Strategien, um der rassistischen Stimmung im Land mit allen Mitteln entgegenzuwirken.“ so Andrea Hübler abschließend.
Die Opferberatung des RAA Sachsen e.V. unterstützt in Sachsen seit 2005 Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert darüber hinaus diese Angriffe. Im Jahr 2016 konnten wir sachsenweit in 314 Beratungsfällen beratend und unterstützend zur Seite stehen.
Die Zusammenfassung der Statistik ist unter Nennung des Urhebers frei verwendbar und abrufbar unter: http://raa-sachsen.de/index.php/statistik.html