Dresden - Zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit trägt die Justiz, insbesondere die Strafjustiz, einen wesentlichen Teil bei. Die Expertenkommission hat die Situation und die Resultate der Strafjustiz in Sachsen analysiert. Sie hat Gespräche mit Vertretern der Gerichte, der Staatsanwaltschaft, von Bediensteten in der Justiz und im Strafvollzug geführt. Dabei hat sie festgestellt, dass die Sächsische Strafjustiz statistisch für Ermittlung und Erledigung von Verfahren länger benötigt als die meisten anderen Bundesländer. In einigen Bereichen ergibt sich aus Sicht der Kommission Optimierungsbedarf.
„Die Kommunikation zwischen ermittelnden Beamten und Staatsanwaltschaften muss besser werden“, eröffnete Ehrhart Körting, Sprecher der Kommission, „denn Polizisten haben nach Abschluss ihrer Ermittlungen keinen Einblick mehr in den Vorgang. Die Polizei ist dann oft damit konfrontiert, dass bei Verfahren, in denen keine Haft angeordnet wurde, die Beschuldigten sich wieder im Umkreis der ermittelnden Polizisten befinden. Das ist für die Polizei unbefriedigend und für präventive Maßnahmen hemmend“, so Körting weiter. „Wir empfehlen deshalb, unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Erfordernisse, den elektronischen Verfahrensgang daraufhin zu überprüfen, ob die Polizei vor Ort Zugriff auf Informationen über den Stand des Verfahrens erhalten kann.“
„Die Strafjustiz muss sichergestellt sein in Hinblick auf den künftigen Ruhestand vieler Richterinnen und Richter“, sagte Rainer Lips, ehemaliger Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden. „Es ist bereits jetzt absehbar, dass bei den starken Jahrgängen, die ausscheiden werden, eine Weitergabe richterlicher Erfahrung durch die älteren, erfahrenen Richter an die neu Einzustellenden nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße stattfinden kann“, so Lips weiter. „Deshalb empfehlen wir, spätestens ab dem Haushaltsplan 2021/2022 im Landeshaushalt vorzusehen, dass die neu einzustellenden Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit mindestens drei Monate vor dem altersbedingten Ausscheiden von Richtern eingestellt werden. So kann ihnen eine Einarbeitungszeit ermöglicht werden.“
„Wir müssen außerdem über Ersatzfreiheitsstrafen reden“, sagte Harald Baumann-Hasske, Sprecher für Justizpolitik der SPD Fraktion im Sächsischen Landtag, „Diese müssen bisher in den Vollzugsanstalten verbüßt werden und dienen in keiner Weise der Resozialisierung der Straftäter. Deshalb plädieren wir für das ´Schwitzen statt Sitzen´ - ein Modell, das statt der Ersatzfreiheitsstrafe eine entsprechende Anzahl von Arbeitsstunden oder Arbeitstagen in sozialen oder gemeinnützigen Einrichtungen vorsieht.“, so Baumann-Hasske weiter. „Wir müssen auch endlich statistisch erfassen, wie viele Menschen nach dem Verbüßen einer Haftstrafe wieder straffällig werden. Wir brauchen die Erfassung einer Rückfallquote, diese gibt es bisher noch nicht. Eine solche statistische Erfassung kann auch als Qualitätsmesser der sächsischen Strafverfolgung und des Strafvollzuges dienen. Wir empfehlen deshalb, die Rückfallquote bei Straftätern in Sachsen, insbesondere bei Jugendlichen, jährlich zu erfassen“, sagte Baumann-Hasske.
„Auf den sächsischen Strafvollzug kommt durch die verstärkte Migration eine neue Anzahl von Aufgaben hinzu. Auch unter den Migranten gibt es Verhalten, dass in den Strafvollzug führt“, führte Baumann-Hasske weiter aus. „Wir empfehlen deshalb, bei der Ausbildung und Fortbildung der sächsischen Strafvollzugsbeamten den Bereich der interkulturellen Kompetenz auszuweiten. Zu prüfen ist, ob Mitarbeiter und Fachpersonal auch mit Migrationshintergrund und entsprechenden Sprachkenntnissen für den Dienst im Strafvollzug gewonnen werden können. Wir empfehlen aber in jedem Fall in Hinblick auf die europaweit zu beobachtende islamistisch extremistische Radikalisierung im Vollzug eine religiöse Betreuung von Straftätern islamischen Glaubens vorzusehen“, sagte Baumann-Hasske.
Die Expertenkommission empfiehlt außerdem, in einem Resozialisierungsgesetz einen Anspruch auf koordinierende Hilfe für Strafgefangene nach ihrer Entlassung vorzusehen sowie dezentrale Stellen zur Koordinierung der verschiedenen Resozialisierungsmaßnahmen einzurichten.
Zum Hintergrund:
Die Expertenkommission „Innere Sicherheit“ wurde im November 2016 von der sächsischen SPD ins Leben gerufen. Mit der Kommission will die SPD Sachsen konstruktive Vorschläge machen, um die Arbeit von Polizei und Justiz in Sachsen weiter zu verbessern. Bisher hat die Kommission zwei Papiere vorgestellt, und konnte konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Arbeit der sächsischen Polizei und des sächsischen Verfassungsschutzes abgeben. Das dritte Papier stellt das vorerst letzte Schwerpunktpapier dar, auch hier konnten die Experten konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit der sächsischen Justiz unterbreiten. Im Dezember wird ein Abschlusspapier vorgestellt.