Mi, 06.03.2024 , 16:07 Uhr

Nach über 30 Jahren Fahndung fanden Journalisten offenbar innerhalb weniger Monate die entscheidende Spur

KI überführt ehemalige RAF Terroristin - Tools für Ermittler weiterhin tabu

Sachsen - Künstliche Intelligenz prägt schon jetzt unser Leben und dürfte in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Branchen spürbar verändern. Ein spektakulärer Fall aus Berlin macht das beispielhaft deutlich. Bei der Ergreifung der ehemaligen Terroristin Daniela Klette nach mehr als 3 Jahrzehnten Fahndung spielte künstliche Intelligenz offenbart eine entscheidende Rolle. Doch die Fahnder bleiben in Sachen digitaler Unterstützung aufgrund datenschutztechnischer Bestimmungen weitestgehend außen vor. 

Die Festnahme der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette nach 30 Jahren im Untergrund hat deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Dabei steht vor allem ihr Aufenthaltsort im Fokus. Offenbar konnte eine der meistgesuchten Frauen Deutschlands jahrelang ein relativ normales Leben im Herzen von Berlin führen. Zur Tarnung ihrer Identität setzte die 65-Jährige zwar gefälschte Personal­dokumente ein; darüber hinaus scheint die Gesuchte jedoch ein eher unauffälliges Leben geführt zu haben, inklusive sozialer Kontakte, wie aus ihrem mutmaßlichen Facebook-Profil hervorgeht. Und genau diese dürften einen nicht unerheblichen Beitrag zur Ergreifung von Daniela Klette geleistet haben.

Im Rahmen einer Recherche wurde das Netzwerk Bellingcat angefragt. Mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware lösten die Journalisten im Anschluss eines der größten Rätsel der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Mit dem Fahndungsfoto gefüttert, führte diese zu weiteren Aufnahmen der Gesuchten, die nahelegten, dass sich das mutmaßliche ehemalige Mitglied der Roten Armee Fraktion in einem Berliner Kampfsportverein engagierte. Von diesem Punkt an dürfte es für die Beamten schnell gegangen sein. Die Festnahme von Klette wirft allerdings Fragen auf: Wie konnten Journalisten einen Fall lösen, der Heerscharen von Kriminalisten über Jahrzehnte beschäftigte, und wie geht man mit einer Software um, die Menschen auch im Großstadtdschungel zuverlässig sichtbar macht?

Auch Dirk Labudde, Professor für Forensik und Bioinformatik an der Hochschule Mittweida hält den Eingriff in die Grundrechte des Menschen für bedenklich. Im Interview mit Sachsen Fernsehen betonte er allerdings, dass aus seiner Sicht eine Abwägung zwischen Privatsphäre und dem Einsatz dieser Technologien bei der Kriminalitätsbekämpfung im Fokus stehen sollte. Denn der Nutzen derartiger Software steht für den Forensiker außer Frage:

"Ja, also in der täglichen Überwachung wäre ich auch dagegen... aber zumindest für die Aufklärung sehr, sehr gerne und sehr effizient sollten die dann eingesetzt werden."

Denn es sei sehr schade in der Kriminalistik, dass solche Programme nicht zu 100 % bzw. gar nicht verwendet werden dürften.

Die zunehmende Verbreitung von Gesichtserkennungstechnologien in sozialen Netzwerken und anderen Plattformen wirft auch generell Fragen zum „Recht am Bild“ und zur freiwilligen Überlassung persönlicher Daten an die Öffentlichkeit auf. Die Entwicklung von klaren Richtlinien und die Förderung eines offenen Dialogs zwischen den Technologieentwicklern, Strafverfolgern und der Öffentlichkeit dürfte in Zukunft wohl stärker in den Fokus rücken.