Dresden - Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sieht Deutschland weiterhin in der Vermittlerrolle beim Krieg in der Ukraine.
Der Ukraine-Krieg müsse mit Verhandlungen möglichst schnell zum Stillstand kommen, sagte Kretschmer am Dienstag bei einem öffentlichen Streitgespräch mit seinem Stellvertreter und Wirtschaftsminister Martin Dulig in Dresden. Das würde nicht heißen, dass die Ukraine ihr Territorium abgeben solle. Das Sterben könne allerdings nicht ewig weitergehen. Laut Kretschmer könne es nicht sein, dass die ganze Welt in ein riesiges Chaos gestürzt werde. Es müsse möglich sein, den Krieg zu stoppen. Um dieses Ziel zu erreichen müsse Deutschland im Interesse der Ukraine und im Verein mit den Verbündeten versuchen, eine Lösung zu finden.
Damit vertritt Kretschmer explizit eine andere Ansicht als der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz, der sich im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine keine Vermittlerrolle für Deutschland vorstellen kann. Er sagte unlängst im Bundestag, dass Deutschland in diesem Konflikt keine Vermittlerrolle habe. Deutschland stehe gemeinsam mit Europa auf der Seite der Ukraine. Damit sei Deutschland nicht neutral in diesem Konflikt, sagte der Oppositionsführer.
Kretschmer bezeichnete den Krieg Russlands als Verbrechen und hielt die Sanktionen gegen Russland für richtig. Dennoch werde man mit diesem Land künftig weiter leben müssen, sagte er. Derzeit gebe es die Mehrheitsmeinung, dass dieser Krieg auf dem Schlachtfeld entschieden werden müsse. Kretschmer verneint dies. Vielmehr gehe es darum, in einen Verhandlungsmodus kommen.
Dulig widersprach Kretschmer wiederholt. Die Verhandlungsposition der Ukraine dürfe nicht geschwächt, das Land nicht «geopfert» werden. Deutschland und Frankreich hätten mit Russland lange verhandelt. Er sei froh, dass man mit Olaf Scholz (SPD) einen besonnenen Kanzler habe. Wirtschaftliche Stärke nutze nichts, wenn es keine politische Stabilität gebe. Territoriale Integrität sei eine Voraussetzung für eine solche Stabilität.
In der etwa 100 Minuten langen Debatte ging es im Anschluss auch um das Thema Energieversorgung. Kretschmer vertrat unter anderem die Auffassung, dass Deutschland auch in den kommenden Jahren noch auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen sein wird. Dulig zufolge kann das Ziel nur darin bestehen, so unabhängig wie möglich zu werden. In Sachsen gebe es einen riesigen Nachholbedarf beim Ausbau erneuerbarer Energien. (mit dpa)