Dresden - Sachsens frischgebackener Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sein neues Kabinett vorgestellt. Besonders überraschend: Nach nur knapp zwei Monaten erfolgt erneut eine Neubesetzung im Kultusministerium. Christian Piwarz (CDU) wird Nachfolger von Frank Haubitz (parteilos).
Das neue Kabinett bringt neuen Schwung in die Diskussion um die Verbeamtung von Lehrern. Erst vor knapp zwei Wochen hatte Sachsens CDU erstmals Offenheit für das Thema signalisiert. Das lag vor allem auch daran, dass Frank Haubitz (parteilos) sich dafür stark gemacht hat. War Haubitz der Union zu voreilig und unbequem, ließe sich nun fragen, denn nach nur sieben Wochen im Amt wird er bereits wieder entlassen. Dabei wollte er die große Wende in der sächsischen Bildungspolitik einleiten. Verbeamtung von Lehrern galt im Freistaat seit je her als Tabuwort. Sein Nachfolger Christian Piwarz rudert bei diesem Thema derzeit noch nicht vollkommen zurück.
Frischen Wind gibt es in den Bereichen Inneres und Finanzen: Markus Ulbig (CDU) und Georg Unland (CDU) werden dem neuen Kabinett nicht mehr angehören. Während bereits im Vorfeld klar war, dass Unland sich in seine Professorentätigkeit zurückziehen möchte, konnte über eine Neubesetzung im Innenministerium nur spekuliert werden. Für Sicherheitsfragen ist künftig Roland Wöller (CDU) zuständig. Als „harter Hund“ der Finanzen soll Matthias Haß (CDU) Sachsens Haushalt im Blick haben. Martin Dulig (SPD) bleibt zweiter Mann des Staates sowie Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrsminister. Auch in den Ministerien für Justiz; Kunst, Kultur & Wissenschaft; Soziales, Gesundheit & Verbraucherschutz; Integration & Gleichstellung sowie Umwelt & Landwirtschaft gibt es keine Veränderungen. Zur Rückendeckung holt sich Kretschmer Oliver Schenk (CDU) als Vertrauten für den Posten des Chefs der Staatskanzlei. Mit der Neubesetzung des Kabinetts hat der Freistaat kurz vorm Jahreswechsel seine neue Staatsregierung. Dafür hat sich Kretschmer Weggefährten aus seiner Berliner Zeit, einen ehemaligen Minister sowie enge Parteifreunde ins Boot geholt.
Kretschmer: „Gemeinsam wollen wir die starke wirtschaftliche Basis im Freistaat Sachsen erhalten und weiter ausbauen. Wir werden uns insbesondere um den Mittelstand, die Unternehmensnachfolge und die Gründerszene in Sachsen kümmern. Ein Schwerpunkt des Ressorts bleibt der Breitbandausbau und die lückenlose Abdeckung im Mobilfunknetz, denn das ist die Voraussetzung, um bei der Digitalisierung erfolgreich zu sein.“
Kretschmer: „Oliver Schenk kommt ebenfalls aus Berlin nach Hause, im wörtlichen Sinne. Er kennt die Staatskanzlei sehr gut, weil er hier über sieben Jahre in leitenden Funktionen gearbeitet hat. Aus Berlin bringt er Erfahrungen aus der Bundespolitik und ein gutes Netzwerk mit. Sachsen liegt im Herzen Europas, die Beziehungen zu Polen und Tschechien sind uns wichtig. Deshalb braucht die sächsische Europapolitik ein klares Profil. Wir wollen zudem eine aktive Medienpolitik gestalten, in der Sachsen die B-Koordinierung verantwortet.“
Kretschmer: „Roland Wöller bringt die reiche Erfahrung parlamentarischer Arbeit im Landtag und von über vier Jahren in der Regierung mit.
Ich traue ihm zu, das Kernressort des Innern mit den wichtigen Themen der Kommunen, der Polizei, des Sports, von Landes- und Bauplanung bis zur Verwaltungsmodernisierung kraftvoll und zielstrebig zu führen. Wir wollen mit den Kommunen im engen Schulterschluss das Land gestalten, wir werden die Sicherheit weiter verbessern, Recht und Ordnung durchsetzen und unsere Verwaltung ins digitale Zeitalter führen - in dem Videobotschaften funktionieren.“
Kretschmer: „Matthias Haß ist ein Spitzenbeamter des Bundes, der seine Laufbahn in sächsischen Ministerien begann und bis heute in Dresden zu Hause ist. Das Finanzministerium soll ein Ermöglichungsministerium sein, hart in der Sache, verbindlich im Ton und gegenüber den Bürgern und den anderen Ressorts mit Teamgeist agieren und kommunizieren.
Kretschmer: „Die gemeinsame Aufgabe ist es, die Justiz und den Justizvollzug in Sachsen zu stärken, damit in einem sicheren Land das Recht konsequent durchgesetzt und umgesetzt werden kann. Wir werden die Personalsituation in der Justiz verbessern. In der Rechtspolitik wollen wir Impulse setzen, die die Ordnung stärken und Sicherheit und Freiheit in guter Balance halten.“
Kretschmer: „Mit Christian Piwarz habe ich einen Kultusminister berufen, der bei Schule und frühkindlicher Bildung die gleiche Leidenschaft hat wie ich. Dafür sind Entscheidungen notwendig, die im politischen Raum unterstützt werden müssen und die von Erziehern, Lehrern, Eltern und Schülern aber auch der gesamten Gesellschaft mitgetragen werden. Und sie müssen erfolgreich wirken. Das traue ich ihm als Vater und sehr erfahrenen und gut verankerten Politiker zu.“
Kretschmer: „Das Sozialministerium ist ein Schlüsselressort für gutes und sicheres Leben in Sachsen: Wenn es darum geht, moderne und leistungsfähige Krankenhäuser, eine erreichbare medizinische Versorgung, Telemedizin und ausreichend Pflegeangebote zu sichern und weiterzuentwickeln. Zeitgemäßer Verbraucherschutz ist wichtig; attraktive Jugendarbeit, Teilhabe für alle Menschen und wertegebundene Familienpolitik stärken Miteinander und Zusammenhalt.“
Kretschmer: „An den Geschäftsbereich der Ministerin sind große Erwartungen gerichtet, liegt dort doch die dringende Aufgabe einer erfolgreichen Integration und eines guten, toleranten Miteinanders in der Gesellschaft. Für ein weltoffenes Sachsen wollen wir gemeinsam erfolgreich sein.“
Kretschmer: „Das Staatsministerium ist Hüterin vieler kultureller Schätze unseres Landes, die wir in aller Breite und regionalen Vielfalt erhalten wollen. Sie vermitteln Werte und Traditionen und sind Räume für gesellschaftliche Debatten. Unsere große Wissenschaftslandschaft soll verlässliche Bedingungen für ein gutes Studium und innovative Forschung behalten und sich weiter mit der Wirtschaft und der Welt vernetzen.“
Kretschmer: „Das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium ist das Leitministerium für den ländlichen Raum. Ihn mit seiner wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und natürlichen Struktur attraktiv zu gestalten ist Thomas Schmidt und mir ein Herzensanliegen. Zugleich ist das Haus ein verlässlicher Partner für die sächsischen Bauern und für die vielen Engagierten und Initiativen, die unsere Schöpfung bewahren und die sächsische Umwelt schützen. Ich freue mich auf die weitere Arbeit mit Frank Pfeil mit seinen reichhaltigen Erfahrungen.“
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Frank Kupfer: „Wir gestalten Sachsens Zukunft! Die neue Mannschaft von Michael Kretschmer ist ein klares Angebot an die Sachsen über die Landtagswahl 2019 hinaus. Es ist ein personeller Neuanfang. Er macht deutlich, dass wir mit diesem Team unsere Heimat auch zukünftig erfolgreich regieren werden. Ich wünsche dem neuen Kabinett viel Glück und Gottes Segen. Wir werden mit der neuen Regierung gut zusammenarbeiten sowie als CDU-Fraktion gemeinsam die vor uns liegenden Aufgaben angehen – und ich bin überzeugt, dass wir sie auch lösen werden“, so Kupfer.
Daniela Kolbe, Generalsekretärin der SPD Sachsen: „Die neuen Personalien machen Hoffnung, dass wir als Koalition wirklich etwas in Sachsen voranbringen können und es kein ‚weiter so' geben wird. Ich wünsche dem Ministerpräsidenten und seinem neuen Kabinett alles Gute für die kommende Arbeit und viel Erfolg für die Lösung der vor uns liegenden Probleme. Insbesondere die Neubesetzung des Finanzministeriums eröffnet die Aussicht auf eine neue Herangehensweise an die Politik in Sachsen, in der es vor allem darum geht, endlich zu gestalten, Probleme zu lösen und Ungerechtigkeiten anzugehen.
Inwiefern innerparteiliche Gründe bei der Abberufung von Frank Haubitz verantwortlich waren, sei dahingestellt.
Ich hoffe aber, dass der Mut zur Veränderung mit der Ablösung des Ministers nicht flöten geht. Vielen der neuen Gesichter ist gemein, dass sie der gleichen Generation der Jungen Union angehören. Sie müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie ihrer neuen Aufgabe gewachsen sind. Ich bleibe gespannt, inwiefern Michael Kretschmer es schaffen wird, seine neue CDU-Mannschaft auch zu einer neuen Politik zu bewegen. Wir als SPD sind dazu bereit.“
Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: “Mit dem Rauswurf des gerade erst berufenen Kultusministers macht Kretschmer einen Kniefall vor der CDU-Fraktion, aus der heraus genau dies gefordert worden war. Nun wird dieses Schlüsselressort vom bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion ausgeübt, der mit Bildungspolitik noch nicht in Erscheinung getreten ist.
Die Neubesetzung des Amtes des Innenministers ist zwar seit Jahren überfällig, da sich das Ministerium besonders beim Umgang mit ausufernder fremdenfeindlicher Gewalt überfordert gezeigt hatte. Dass nun aber mit Herrn Wöller ausgerechnet der Freitaler CDU-Wahlkreisabgeordnete zum Minister ernannt wird, der sich bei den Ausschreitungen vor Ort nur weggeduckt hat, ist ein schlechtes Omen für die öffentliche Sicherheit in Sachsen.
Insgesamt straft Kretschmer mit seiner Vielzahl von Auswechslungen all diejenigen in der sächsischen CDU Lügen, die so tun, als könnte man mit ein paar Schönheitskorrekturen so weiter machen.
Doch bei den beiden zentralen landespolitischen Krisenherden Schule und Polizei ist mit diesen Besetzungen kein richtungweisendes Profil erkennbar.
Insofern gilt unterm Strich: Nicht der große Aufbruch. Gleichwohl wünschen wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger den Berufenen eine glückliche Hand und werden ihre Arbeit als größte Oppositionsfraktion kritisch und konstruktiv begleiten.“
Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Neue Köpfe sind noch keine neue Politik. Die größte Überraschung im Kabinett Michael Kretschmer ist zugleich eine Warnung. Dass Frank Haubitz nach nur acht Wochen nicht erneut berufen wird, macht deutlich, wie schwer es Quereinsteiger in der sächsischen CDU-Politik haben. Die größte Enttäuschung: Kretschmer präsentiert keine neue Ministerin.
Dass mit Prof. Roland Wöller ein Mann Innenminister wird, der in den Zeiten der offenen fremdenfeindlichen Gewalt in Freital als Wahlkreisabgeordneter der CDU wie von der Bildfläche verschwunden schien, ist kein gutes Vorzeichen.
Die wichtigste Aufgabe für ihn ist jetzt, die Polizei wieder aus dem dramatischen Personalnotstand herauszuführen, in den sie von der CDU und seinem Vorgänger Markus Ulbig hineingeführt worden ist. Das Kultusministerium scheint sich zum Schleudersitz zu entwickeln. Die Besetzung lässt befürchten, dass es mehr um die Befriedigung der CDU-Fraktion geht als um die Lösung der gravierenden Probleme in Sachsens Bildungspolitik. Für die sächsische Lehrerschaft, die Eltern und die Schülerinnen und Schüler bleibt zu hoffen, dass endlich alle Möglichkeiten der Gewinnung von Lehrkräften und zur Verbesserung der Arbeits- und Lernbedingungen in den Schulen genutzt werden. Für diese großen Herausforderungen braucht Christian Piwarz ressortübergreifende Unterstützung.
Mit Prof. Roland Wöller und Christian Piwarz beruft Ministerpräsident Kretschmann zwei Vertraute aus JU-Zeiten ins Kabinett. Dazu holt er mit Dr. Matthias Hass und Oliver Schenk zwei Männer aus Berlin nach Sachsen zurück. Finanzminister Dr. Hass muss sich für Investitionen in die Zukunft stark machen − nicht zuletzt in den Personalaufbau. Die einzig auf Schuldenabbau und dogmatisches Sparen ausgerichtete Finanzpolitik muss ein Ende haben.“
Wie der Landesvorsitzende der Liberalen Holger Zastrow am Montag erklärte, stehe das Kabinett Kretschmer weder für einen Neuanfang noch für ein dringend nötiges Umdenken in Sachsen. „Kretschmer hat die Chance vertan, ein starkes Zeichen für neuen Elan und neue Ideen zu setzen. Im Gegenteil, Kretschmer setze auf Lösungen von gestern. Mit der Abberufung des gerade erst ins Amt gekommenen Kultusministers und Hoffnungsträgers Frank Haubitz beweist er zudem, in welch desolaten und chaotischen Zustand sich Union und Landespolitik befinden“, sagte Zastrow. „Gegen die Riege aus Technokraten und Bürokraten haben es neue kreative Köpfe und Leute, die hier tief verwurzelt sind und aus der Lebenswirklichkeit statt aus dem politischen Karriereapparat der CDU kommen, offenbar schwer.“