Mi, 04.12.2019 , 16:30 Uhr

Kriegsverluste kehren in SLUB zurück

Dresden - Über 200.000 Schriftstücke aus dem Bestand der SLUB gelten seit dem zweiten Weltkrieg als vermisst. Ein paar Stücke sind nun zufällig wieder aufgetaucht. Die ältesten darunter sind an die 500 Jahre alt.

Dazu erklärt die SLUB: 

In Folge des Zweiten Weltkrieges fehlen der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden heute mehr als 200.000 Bücher, Handschriften und Karten. Diese sind zum Teil während des Angriffs auf Dresden 1945 vernichtet worden. Der größere Teil ist zwischen Mai 1945 und Mai 1946 nach Russland verbracht worden. Bis heute ist der Verbleib vieler Werke ungeklärt. Nun, über 70 Jahre nach Kriegsende, sind neun wertvolle Schriften aus der Reformationszeit wieder aufgetaucht. Sebastian Walther, Direktor des Museums Alte Pfefferküchlerei in Weißenberg bei Bautzen, hat sie zufällig auf dem Dachboden des Museums entdeckt. Zum Museumsbestand gehörten sie nicht, fündig wurde er dagegen im digitalen Katalog der Kriegsverluste der SLUB. Es handelt sich um neun so genannte Predigt- oder Erbauungsschriften aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Heute hat Sebastian Walther die Bücher im Rahmen einer Pressekonferenz wieder an die SLUB übergeben.

„Natürlich ist es für jeden Historiker gewissermaßen wie Weihnachten, wenn man nach über 70 Jahren der Erste ist, der so einzigartige Zeugnisse der Reformationszeit in den Händen hält. Vergegenwärtigt man sich, wann diese Drucke und Handschriften entstanden und welchen Weg sie durch die Jahrhunderte mit all ihren Kriegen und politischen Veränderungen genommen haben, so ist es beinahe ein kleines Wunder, dass uns diese Schätze bis heute erhalten sind. Ich bin froh, dass wir helfen konnten, den Kreis zu schließen und die verschollenen Schriften nun wieder nach Hause in die SLUB zurückkehren können, wo sie Forschung und Öffentlichkeit leicht zugänglich sind“, sagt Sebastian Walther.

Dr. Achim Bonte, Generaldirektor der SLUB: „Der Fund ist in vielerlei Hinsicht von besonderer Bedeutung. In den Schriften finden sich handschriftliche Vermerke, die interessante Einblicke in die Netzwerke der Reformationszeit ermöglichen. Ein Band enthält zum Beispiel eine eigenhändige Widmung von Johannes Bugenhagen, einem der wichtigsten Wegbegleiter Martin Luthers. Ein anderer stammt vermutlich aus der Bibliothek des Rektors der Fürstenschule St. Afra in Meißen, Georg Fabricius. Ein großer Teil seiner Bibliothek war zwischen 1580 und 1586 von Kurfürst August für seine Bibliothek erworben worden, wodurch diese den ersten Schritt von der privaten Liberey zur Kurfürstlichen, später Königlichen Bibliothek vollzog.“

Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die damalige Sächsische Landesbibliothek rund 7.400 solcher Predigt- und Gebetbücher. Seit 1945 gelten knapp 24 Prozent von ihnen als Kriegsverluste.

Jana Kocourek, Abteilungsleiterin Handschriften, Alte Drucke und Landeskunde an der SLUB, erklärt: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren die Bücher während des Zweiten Weltkrieges in Schloss Gröditz nahe Weißenberg ausgelagert. Insgesamt lagerten dort mindestens 268 Kisten aus der Sächsischen Landesbibliothek, darunter neben theologischen Bänden auch Teile der Sammlung Klemperer. 38 Kisten kehrten nicht in die SLB zurück. Man nahm an, dass sie nach Russland verbracht worden sind. Allerdings war das Schloss, wie am 3. Januar 1946 festgestellt wurde, zeitweise frei zugänglich. Hier gibt es noch einige Rätsel. Sicher kann der jetzige Fund uns auch mehr über das Geschehen am Auslagerungsort im Frühjahr 1946 verraten.“

Die Werke, insbesondere die handschriftlichen Vermerke, werden nun digitalisiert und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus widmen sich Expert*innen der SLUB der lückenlosen Erforschung der Provenienzen.