Fr, 15.07.2022 , 08:59 Uhr

Künstliche Befruchtung in Deutschland und unseren Nachbarländern

Die künstliche Befruchtung ist nach wie vor kontrovers diskutiert. Während sie in vielen unserer Nachbarländern, wie Tschechien oder Dänemark und vielen anderen EU-Ländern erlaubt ist, bestehen in Deutschland hierbei diverse Einschränkungen. Das ethische Grundproblem der Befruchtung einer Eizelle durch einen medizinischen Eingriff besteht natürlich auch darin, dass die persönliche Vereinigung zweier Individuen entfällt und ein Mensch stattdessen im Labor "hergestellt" wird. Dementgegen steht die Frage, inwiefern zeugungsunfähige Partnerschaften durch das Verbot einer künstlichen Befruchtung eine erhebliche Benachteiligung in ihrer individuellen Lebensplanung erfahren.

So stehen die EU-Länder zur künstlichen Befruchtung

Mehr als die Hälfte aller EU-Länder verwehrt beispielsweise homosexuellen Frauen die sogenannte In-Vitro-Fertilisation (IVF). Trans- und intersexuelle Personen sehen sich mit noch größeren Hindernissen konfrontiert. Während selbst die Frage nach künstlicher Befruchtung für heterosexuelle Paare bereits für Diskussionsstoff sorgt, bieten Menschen mit alternativen sexuellen Orientierungen noch mehr Angriffsfläche für Gegner der künstlichen Befruchtung. Argumente, die das Kindeswohl und vermeintlich "normale" Familienverhältnisse beinhalten, lassen sich wissenschaftlich schwer bis gar nicht belegen. Aus Angst vor dem Verlust der Reputation entziehen sich viele Wissenschaftler dem Diskurs teilweise oder vollständig. Die rationale Sichtweise auf Eingriffe wie die sogenannte ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) und ein offener Diskurs werden dadurch zusätzlich erschwert. Die Künstliche Befruchtung in Tschechien (ICSI), Polen, Litauen, Deutschland, Frankreich, Italien, Rumänien und der Slowakei ist alleinstehende Frauen und Frauen in einer homosexuellen Partnerschaft nicht erlaubt. Griechenland, Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Lettland und Estland erlauben alleinstehenden Frauen die künstliche Befruchtung, während Österreich lesbischen Paaren die In-Vitro-Fertilisation erlaubt.

Sowohl alleinstehende Frauen als auch Frauen in einer homosexuellen Partnerschaft können eine künstliche Befruchtung in Schweden, Finnland, Dänemark, Belgien, Irland, Spanien, Portugal und in den Niederlanden vornehmen lassen. Die Diskussion über die Kostenübernahme bei künstlichen Befruchtungen und für wen der Eingriff generell erlaubt sein soll, hatte bereits 2014 im Bundestag für hitzige Debatten und Uneinigkeit innerhalb der Fraktionen gesorgt.

Ist eine künstliche Befruchtung in Deutschland erlaubt?

In Deutschland gilt für künstliche Befruchtungen generell ein Arztvorbehalt - dies bedeutet, dass die Behandlung nur von einem Arzt vorgenommen werden darf. Zulässig sind sowohl die Übertragung von Samen des Partners (homologe Insemination) als auch die Übertragung von Spendersamen (heterologe Insemination).

Welche Art künstlicher Befruchtung ist hierzulande nun aber nicht erlaubt?

Verboten ist die Eizellspende, die Übertragung einer gespendeten Eizelle auf eine andere Frau. Nicht erlaubt ist zudem die Leihmutterschaft, das Austragen einer Schwangerschaft durch eine andere Frau.

Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?

Nach einem Erstgespräch und der anschließenden Beurteilung der Fortpflanzungsfähigkeit eines Paares, empfehlen die Ärzte entsprechende Methoden zur künstlichen Befruchtung. Die Anwendung der Labormethoden sollen die Chancen auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung erhöhen. Je nach Behandlungsmethode kommt es zur sogenannten Stimulation. Ziel ist es, dass die Eierstöcke mehrere Eibläschen gleichzeitig bilden. Bei Erreichen der optimalen Größe lösen die Ärzte durch Zugabe von Hormonen einen Eisprung aus. Darauf folgt die Entnahme der Eizellen und der Spermien. Die eigentliche Befruchtung erfolgt außerhalb des Körpers.

Nach der Embryonenkultivierung (Bewertung der Qualität der Embryonalentwicklung) folgt der Embryotransfer. Ist die künstliche Befruchtung erfolgreich verlaufen, beginnt die Schwangerschaft, welche besonders überwacht werden muss, da die In-Vitro-Fertilisation weiterhin zahlreiche Risiken birgt, die zum plötzlichen Schwangerschaftsabbruch führen können. Generell gilt es gewisse Schritte und Regeln während der Schwangerschaft einzuhalten, um das eigene Wohl und das des Kindes keinesfalls zu gefährden.

Künstliche Befruchtung und die Frage nach der Ethik

Moralphilosophen müssen bei der Diskussion über die Zulässigkeit weit mehr als die Frage "dürfen wir Gott spielen" beachten. Der Gerechtigkeitsgedanke und das Grundgesetz lassen eine Ungleichbehandlung aufgrund von Lebensweise und sexueller Orientierung eigentlich nicht zu. Es ist fraglich, inwiefern eine größere Kindeswohlgefährdung durch ein homosexuelles Paar oder eine alleinerziehende Mutter besteht, als es etwa durch das Aufwachsen innerhalb einer Familie mit gewalttätigen Eltern.

Ob es sich bei der künstlichen Befruchtung wirklich um die "Herstellung von Menschen" handelt, oder einen reinen medizinischen Eingriff, der jährlich tausenden Familien ihren Herzenswunsch erfüllt, ist weiterhin fraglich. Für diese Familien sind die Kliniken in Tschechien und anderen EU-Ländern ein Segen. Moral und Gerechtigkeit kennt viele Definitionen, die eine offene Gesellschaft jederzeit ändern, neu erklären und verwerfen kann.