Mi, 23.03.2022 , 19:40 Uhr

Landtag debattiert zum Ukrainekrieg

Sachsen- Im Sächsischen Landtag ist das Plenum wieder zu seiner Sitzung zusammengekommen. Unter anderem gab es Aktuelle Debatten zu den Themen "Strategische Souveränität der Europäischen Union sicherstellen", in welcher es vor allem um Energie, Klimaschutz, Wirtschaft und Sicherheitspolitik ging, sowie "Bessere Bezahlungen und Arbeitsbedingungen für Sozial- und Erziehungsberufe in Sachsen". Als erster Tagesordnungspunkt wurde jedoch eine Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine durch Ministerpräsident Michael Kretschmer angesetzt. Dabei zeigte sich, dass nicht alle Parteien die gleiche Sicht auf das aktuelle Kriegsgeschehen haben.

Ministerpräsident Michael Kretschmer hat im Sächsischen Landtag eine Regierungserklärung zum völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gehalten.

Zur Regierungserklärung und der anschließenden Debatte waren stellvertretend für die vielen Menschen im Freistaat, die sich für die Geflüchteten engagieren, mehrere Helfer eingeladen, außerdem eine vor dem Krieg geflüchtete Ukrainerin mit ihrem siebenjährigen Kind und dessen Oma. Kretschmer betonte zum Auftakt, die drei stünden stellvertretend für die vielen tausend Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind und hier bei uns im Freistaat Sachsen eine neue Zuflucht gefunden hätten. "Seien Sie herzlich willkommen. Wir möchten Ihnen Schutz, Solidarität und Unterstützung geben in dieser für Sie so furchtbaren Zeit!«

Nachfolgend die Schwerpunkte der Regierungserklärung mit dem Titel "Freiheit und Frieden sind das höchste Gut – Unterstützung für die souveräne Ukraine" in Auszügen:

»Vor einem Monat, am 23. Februar 2022, gab es eine ganze Reihe von Warnungen und Hinweisen, es könnte einen militärischen Übergriff geben. Aber wer hat das in Europa, wer hat das in Sachsen wirklich so für möglich gehalten, dass ein Angriff auf ein souveränes, freies Land erfolgen könnte? Und das Ganze mit so einer brutalen militärischen Macht, so skrupellos, so rücksichtslos, so brachial. Es ist vollkommen klar, dass wir hier im Freistaat Sachsen und die sächsische Staatsregierung eine eindeutige Meinung dazu haben: Das, was in der Ukraine stattfindet, ist ein Völkerrechtsverbrechen, ein Krieg, der durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen ist. Unsere Forderung ist deswegen auch ganz klar: Russland muss seine Truppen unverzüglich aus der Ukraine abziehen.«

»Die Europäische Union, wir hier in Deutschland, wir in Sachsen stehen zu unserem europäischen Nachbarn, der Ukraine, einem freien Land mit freien Bürgern, die sich frei und für sich selbst souverän entscheiden, welchen Weg sie gehen. Wir sehen einen vielfachen Völkermord, wir sehen Verbrechen an der Menschlichkeit und wir werden das auch in Zukunft genau so benennen.«

»Und deswegen unterstützen wir auch die Bemühungen der Bundesregierung und haben das in vielfältiger Weise auch schon deutlich gemacht und uns auch daran beteiligt - auf der einen Seite unmittelbare humanitäre Hilfe in der Ukraine zu leisten und auf der anderen Seite auch eine klare Antwort der Weltgemeinschaft zu geben, dass dieser völkerrechtswidrige Krieg, dieser Angriff auf die Ukraine nicht ohne Folgen bleiben kann. Deswegen ist es in diesem Moment auch richtig, dass wir helfen, dass wir Sanktionen mittragen.«

»Wir haben es mit der Ukraine mit einem Land zu tun mit 40 Millionen Einwohnern, ein Land mit stolzen Menschen. Wir haben es mit einem Land zu tun, was in den vergangenen Jahrzehnten einen Weg in Richtung Europa, in Richtung westliche Werte genommen hat, ein in vielerlei Hinsicht modernes Land. Und so sehr wir uns dafür einsetzen, dass dieser Krieg ein Ende hat, sind wir auf der anderen Seite engagiert, um den Menschen zu helfen, die auf der Flucht sind. In dieser besonderen Zeit, in dieser Krise, in der wir uns befinden, geht es nicht darum, alles perfekt zu machen. Es geht darum, es so gut wie möglich zu machen. Es geht darum, nah an den Menschen zu sein und die Dinge so zu organisieren, dass sie menschenwürdig sind.«

»Es ist uns gelungen, über 10.000 Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen jetzt vorzuhalten, aufzubauen in den großen Städten, aber auch dezentral. Unser Anspruch ist, dass die Menschen dort unterkommen, dass wir dort eine Registrierung organisieren können, eine medizinische Untersuchung, dass wir miteinander im Gespräch sind, in welche Regionen die Menschen auch am Ende wollen. Wir erleben eine große Euphorie, eine große ukrainische Community in der Europäischen Union, auch in Deutschland. Wir sind mit den Kommunen, mit den Landkreisen, mit den Städten und Gemeinden im Gespräch, dass dort jetzt auch Wohnraum geschaffen wird und dass dann sukzessive die Menschen in diese Regionen gehen.«

»In Sachsen ist eine Zahl zwischen 65.000 und 80.000 Menschen durchaus realistisch bei diesem aktuellen Kriegsgeschehen, bei der großen Fluchtbewegung, die aus der Ukraine stattfindet. Das Ganze ist eine Herkulesaufgabe. Wir stellen fest, dass es am Ende eine große Aufgabe ist, vor die auch die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gestellt sind. Sie haben unsere Unterstützung. Wir haben uns als erstes Land auch klar zur Finanzierung bekannt. Es gibt auf der Bundesebene derzeit noch keine Regelung, die Verhandlungen laufen darüber. Aber für die sächsischen Gemeinden und Landkreise ist klar: Der Freistaat Sachsen wird diese finanzielle Last in der bekannten Weise schultern.«

»Dieses Maß an Mitmenschlichkeit, an Solidarität, an Zusammenarbeit und Zusammenhalt wird auch die sächsische Gesellschaft stärken und wird Deutschland und die Europäische Union stärken. Sie wird diejenigen stärken, die für Demokratie, für Freiheit, für Menschenrechte stehen, für unsere westlichen Werte. Und deswegen ist es eine große Aufgabe, vor der wir stehen. Und jeder, der daran mittut, leistet einen großen Dienst. Was wir aus dieser großen Katastrophe, aus diesem großen Unrecht, was derzeit hunderte Kilometer von uns, aber in unmittelbarer Nähe von uns in unserer Nachbarschaft passiert, lernen müssen ist, dass die Freiheit, dass die Werte, nach denen wir leben wollen, verteidigt werden müssen. Und deswegen ist es absolut folgerichtig, dass die Bundesregierung sich sehr schnell dazu bekannt hat, die Bundeswehr in einem anderen Maße technisch und personell auszustatten als das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten der Fall war. Wir brauchen an dieser Stelle ein Umdenken. Wir brauchen ein klares Verständnis, dass eine starke und moderne Bundeswehr ein wesentlicher Pfeiler dafür ist, dass unsere Freiheit hier in Europa, in Deutschland auch wirklich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gesichert ist.«

»Wir haben darüber gestritten in den vergangenen Tagen und Wochen, auch hier im Freistaat Sachsen, welches Russland-Bild wir haben. Ich will Ihnen noch einmal auch deutlich sagen meine Enttäuschung und auch meine Verurteilung für das, was derzeit passiert. Und es ist am Ende nicht das russische Volk, sondern es ist der russische Präsident mit einer Korona von Oligarchen, von Militärs, die dieses Land im Griff haben und die auch die Verantwortung für diesen Krieg haben. Das muss man immer wieder so sagen.«

»Auf der anderen Seite gibt es Bürgerinnen und Bürger in Russland und auch hier bei uns in Deutschland, die wir nicht als Opfer dieser Politik jetzt noch als Täter bestrafen dürfen. Und deswegen geht es mir darum, dass wir in unserer Sprache sehr aufmerksam sind und genau unterscheiden.«

»Und deswegen möchte ich, dass wir im Bereich der Städtepartnerschaften, von Kulturaustausch und Wissenschaft, dem Austausch mit der Zivilbevölkerung und vor allem mit den Menschen, die auch für westliche Werte stehen und die dieses Kriegstreiben ablehnen, in einem intensiven Austausch sind. Das ist auch eine Lebensversicherung für die kommenden Jahrzehnte. Russland wird es auch nach diesem Krieg geben, und wir müssen damit umgehen. Wir brauchen einen klugen Umgang damit. Dieser kluge Umgang setzt vor allen Dingen eigene Stärke voraus. Stärke, die Deutschland im Übrigen nicht alleine generieren kann. Diese Stärke kommt aus der Europäischen Union und sie kommt aus der NATO.«

»Die Freiheit, die wir haben, ist hart erarbeitet, beruht auf Grundlagen, die wir immer wieder auch neu schaffen müssen und die wir neu verteidigen müssen. Und deswegen braucht es immer wieder auch die neue Diskussion dazu, wenn es Bedrohungen von außen gibt. Und die haben natürlich was mit dem Thema Wirtschaft zu tun. Ohne eine wirtschaftliche Stärke wird die Bundesrepublik Deutschland nicht in der Lage sein, die Aufgaben zu schultern, zu finanzieren, den Zusammenhalt auch in unserem Land zu gewährleisten, den wir brauchen, um uns aufzustellen, um uns sicher zu machen für die nächsten Jahrzehnte

»Meine Damen und Herren, der Krieg in der Ukraine hat vieles in Frage gestellt. Ich möchte, dass wir die richtigen Schlüsse daraus ziehen, auch hier bei uns im Freistaat Sachsen, dass wir entschlossen handeln und dass wir den Mut der Menschen, die jetzt für ihre eigene Freiheit, für ihre Solidarität kämpfen, auch mit unserer Solidarität beantworten. Und dass wir auf der anderen Seite aus dem, was wir dort erleben, auch die Kraft ziehen, die Dinge jetzt hier bei uns in Deutschland so zu organisieren, dass sie für die Zukunft richtig sind. Jetzt werden die Weichen für die neuen Jahrzehnte gestellt.«

»Gott schütze die Frauen und Männer in der Ukraine bei ihrem wichtigen Kampf für ihr Land, für ihre Heimat, für ihre Solidarität. Lassen Sie uns gemeinsam das tun, was wir hier in Sachsen tun können, um diesen Frauen, Männern und Kindern eine sichere Unterkunft zu geben. Einen guten Platz zum Leben - für eine gewisse Zeit oder für immer.«

Quelle: Sächsische Staatskanzlei