Mi, 06.09.2023 , 16:23 Uhr

Wie bewertet die Industrie die geplante Cannabislegasierung?

Lauterbach gibt das Hanf frei

Die berühmte Frage ‘Wann Bubatz legal?’ kann mittlerweile etwas seriöser beantwortet werden, da das Kabinett am 16.08.2023 den ersten Schritt der Entkriminalisierung von Cannabis und seinem Wirkstoff THC beschlossen hat. Stufe 1 der Cannabislegalisierung sieht vor, den Besitz und den Konsum der Blüten der weiblichen Hanfpflanze zu entkriminalisieren. Geplant ist, das Gesetz zum 01.01.2024 in Kraft treten zu lassen.

Cannabis Sativa und THC werden, so will es zumindest die Ampelkoalition, aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen und der Erwerb von bis zu zweimal 25 Gramm Gras pro Monat soll für Erwachsene legal werden. Für Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren soll die monatliche Obergrenze bei 30 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von höchstens 10 Prozent liegen. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren soll sich zunächst nichts ändern, Konsum und Besitz von Gras bleiben illegal.

Angebaut werden soll das Cannabis privat – hier soll der gleichzeitige Besitz von bis zu drei Pflanzen pro Person legalisiert werden – oder in den sogenannten Cannabis-Clubs mit bis zu 500 Mitgliedern. Dort soll das Gras für Mitglieder auch erwerbbar, der Konsum jedoch ausgeschlossen sein. Zudem sollen diese Vereine nicht gewinnorientiert arbeiten, Mindestabstände zu Schulen einhalten, Jugendschutzkonzepte vorlegen und das Anbau-Areal absichern.

Dannie Hansen (links) und sein Bruder Christian Pallesen (rechts), die Gründer von Nordic Oil.

In einem zweiten Schritt, zu dem bisher noch kein Kabinettsentwurf vorliegt, soll nach der Entkriminalisierung auch eine echte Legalisierung stattfinden – allerdings zunächst ausschließlich in sogenannten Modellregionen, in denen die Freigabe fünf Jahre lang wissenschaftlich untersucht werden soll. Erst in dieser Phase und diesen Regionen kämen auch ökonomische Interessen zum Zug, denn hier ist geplant den Anbau und den Verkauf auch für Unternehmen freizugeben.

Die Redaktion sprach zum Thema wirtschaftliche Erwartungen an die Cannabislegalisierung mit Dannie Hansen, dem Co-Gründer und CEO von Nordic Oil, einem der größten Cannabisunternehmen auf dem deutschen Markt.

Sachsen-Fernsehen: Herr Hansen, in Stufe 1 des Legalisierungsplans der Bundesregierung kommen Unternehmen wie das Ihrige überhaupt nicht zum Zug. Sind Sie darüber enttäuscht?

Dannie Hansen: Wir kennen die Pläne der Bundesregierung mittlerweile seit knapp einem Jahr, deshalb bin ich nicht akut enttäuscht. Außerdem möchte ich betonen, dass ich auch den ersten Schritt der Entkriminalisierung begrüße. Der Zugang und auch die medizinische Nutzung der Pflanze werden dadurch deutlich erleichtert und Konsumenten werden entstigmatisiert. Mit Blick in die USA oder in die Niederlande sehe ich den ganzen Prozess allerdings auch mit einem gewissen Wermutstropfen, da hier enormes wirtschaftliches Potenzial verschenkt wird.

Sachsen-Fernsehen: Sie glauben also nicht, dass die Modellregionen den wirtschaftlichen Interessen in ausreichendem Maß Rechnung tragen werden?

Dannie Hansen: Das gilt es abzuwarten. Aber ich kenne Personen aus der Branche, die warten mittlerweile seit mehreren Jahren darauf, endlich voll durchzustarten und beispielsweise in den heimischen Anbau zu investieren. Wir von Nordic Oil sind in der glücklichen Position, schon jetzt erfolgreich im Handel mit CBD-Produkten zu sein, aber das Venture-Kapital, welches in den letzten Jahren gesammelt wurde, um den deutschen Cannabismarkt zu begründen, wird nicht ewig warten. Diese Investoren ziehen weiter, wenn es in Deutschland keine Geschäfte zu machen gibt.

Ohne sie ist es meines Erachtens aber vollkommen unklar, wer den Anbau im großen Stil übernehmen soll und daher auch woher Händler wie wir unser Produkt beziehen werden. Da muss die Bundesregierung dringend konkreter werden und einen verbindlichen Fahrplan vorlegen, sonst wird man auf ausländische Importe angewiesen sein und die entsprechende Wertschöpfung sowie die Steuereinnahmen hierzulande verlieren.

Sachsen-Fernsehen: In mittlerweile nur noch zwei Jahren stehen bereits die nächsten Wahlen zum Bundestag an, wir haben also Halbzeit der Legislaturperiode. Ist die Regierung zu zögerlich vorgegangen?

Dannie Hansen: Ich befürchte, man hat bereits sehr viel Zeit verstreichen lassen. Als die Legalisierung in rascher Folge in immer mehr US-Bundesstaaten durch die Parlamente gebracht wurde, hat das auch die deutsche Startup-Branche und viele kleine und mittlere Unternehmen, die bereits im Bereich Cannabis tätig sind, elektrisiert. Von dieser Goldgräberstimmung ist derzeit nicht mehr viel übrig.

Man registriert, dass die Bundesregierung ängstlich ist und auch die bürokratischen Hürden werden mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Wenn wir uns einmal unsere niederländischen Nachbarn ansehen, dann ist die Befürchtung von EU-Sanktionen bei einer vollständigen Legalisierung wohl kaum begründet. Man hätte einfach dort abschreiben können, stattdessen soll das Rad neu erfunden werden.

Ich hoffe wirklich, dass nun möglichst schnell der zweite Schritt angegangen wird und möglichst viele Modellregionen ausgerufen werden, damit wir endlich anfangen können zu arbeiten. Wenn die Steuereinnahmen erst einmal fließen – in den USA waren es allein im Jahr 2022 3,77 Milliarden US-Dollar – werden es auch konservative Parteien schwerer haben, die Reformen rückgängig zu machen. Die Kommunen werden dann auch die Attraktivität erkennen und die Sicherheitsbehörden werden sehen, wie viel weniger Arbeit sie durch die Entkriminalisierung haben. Erst dann können wir von einem Erfolg auf ganzer Linie sprechen.

Sachsen-Fernsehen: Vielen Dank für diese Einschätzungen, Dannie Hansen, CEO von Nordic Oil.