So, 25.06.2023 , 16:24 Uhr

Nach Waldbrand im Vorjahr: "Für so etwas noch nicht wieder gerüstet"

Arzberg - Drei verheerende Waldbrände wüteten im Vorjahr in Sachsen. Die Feuerwehrleute mussten mehrfach um ihr Leben rennen, weil die Aufgabe sie zu überfordern schien. Die Regierung reagiert mit einem neuen Schutzkonzept. Dabei fehlt es vielerorts noch immer an Ausrüstung.

Sauber aufgefaltet liegen die Schutzjacken für die Feuerwehrleute im nordsächsischen Arzberg auf dem Tisch im Besprechungsraum. Sie sind gerade erst geliefert worden und sollen die nach dem verheerenden Waldbrand vor fast einem Jahr vielfach beschädigten Sachen ersetzen. Wie ein Mahnmal steht im Hof noch der völlig vom Feuer zerstörte Schlauchanhänger, den die Einsatzkräfte zurücklassen mussten, als wiederholt eine regelrechte Feuerwalze auf sie zukam. «Der Status quo von vor dem Brand ist noch immer nicht erreicht. Die Ausrüstung ist noch nicht wieder komplett», sagt Gemeindewehrleiter Klaus Grabein.

Die Hilfszusagen der Politik seien zwar schnell gekommen, betont der 76-Jährige, der seit fast 60 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr ist. «Das offizielle OK für die Finanzierung gab es aber erst Ende vergangenen Jahres. Und durch die Coronakrise und den Krieg in der Ukraine dauert die Beschaffung halt sehr lange.» Bei der Einsatzschutzkleidung, dem wohl wichtigsten Equipment der Feuerwehrleute, derzeit etwa ein halbes Jahr.

«Nach dem Waldbrand waren wir eigentlich nicht mehr einsatzbereit. Zum Glück haben uns andere Wehren Material geliehen oder geschenkt», betont Grabein. 

Für ein vergleichbares Ereignis sei man aber noch nicht wieder gerüstet. Auch in diesem Jahr herrscht in der Region wieder extreme Trockenheit und mehrfach wurde bereits die höchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen.

Zwei Mal waren die Kameradinnen und Kameraden aus Arzberg bei der Brandbekämpfung im vergangenen Jahr um ihr Leben gerannt. Ein ungewöhnliches Wetterphänomen habe die Hunderten Einsatzkräfte in zuvor nicht für möglich gehaltene Lebensgefahr gebracht, erläutert der Arzberger Ortswehrleiter, Christian Rothe.

Nach einem tagelangen Dauereinsatz hatten sich die Einsatzkräfte eine Entspannung der Lage durch ein angesagtes Gewitter erhofft. Es kam aber kein einziger Tropfen Regen herunter, dafür fachte ein Gewittersturm mit bis zu 120 Stundenkilometern die Flammen an und sorgte für einen Wipfelbrand von bis zu 25 Metern Höhe. «Vor dieser riesigen Feuerwand half nur noch weglaufen», erklärt Rothe. «Auch ein Jahr danach sprechen wir noch mit Respekt und Hochachtung über den Brand. Das hilft, um uns davon zu befreien.»

Ende des Jahres bekommt die Freiwillige Feuerwehr in Arzberg nach 20 Jahren ein neues Löschgruppenfahrzeug. Dieses verfügt dann wenigstens über einen Löschwassertank von 2000 Litern, in das alte passten gerade einmal 600 Liter. Zudem sind waldbrandfähige Materialien wie leichtere Schläuche bestellt und einige Feuerwehrleute haben spezielle Lehrgänge zur Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung absolviert.

Das reicht laut Gemeindewehrleiter Grabein aber noch nicht aus, um solche Großfeuer auch in Zukunft bekämpfen zu können. Das wohl größte Problem sei die Versorgung mit Löschwasser. «Drei Löschwasserbrunnen in unmittelbarer Nähe des Waldbrandes waren leergepumpt. Nur dank einer kilometerlangen Pipeline des THW konnte Waser aus der Elbe geholt werden. Bis es aber so weit ist, dauert es sehr lange. Wir brauchen mehr Brunnen.» Auch sollten die Waldwege ausgebaut und großräumig freigehalten werden, damit die Einsatzfahrzeuge passieren könnten. Zudem fordert er die Räumung von Munition und Kampfmitteln, die in den Wäldern liegen.

Eine von der Staatsregierung eingesetzte Expertenkommission hatte im März mehr als 100 Vorschläge für ein Waldbrand-Management gemacht. Die Fachleute empfehlen, den Waldumbau noch stärker auf Mischwälder mit Laubbäumen zu fokussieren. Zudem soll Totholz entfernt werden, wenn es Rettungswege versperrt oder wenn es sich in der Nähe von Wohnbauten befindet. Auch eine bessere Wasserversorgung etwa durch den Bau von Zisternen gehört dazu. Zudem wird zum Einsatz moderner Technik zur Früherkennung von Bränden geraten.

Denkbar sei zudem ein Kompetenzzentrum Waldbrand, dem die Technische Universität Dresden, das Umweltministerium und das Innenministerium angehören könnten. Der Bericht soll mit Kommunen und Feuerwehren besprochen und auf Bürgerdialogen in den betroffenen Regionen vorgestellt werden.

Die Staatsregierung will bis 2026 rund 30 Millionen Euro für den Waldbrandschutz investieren. So würden derzeit fünf Waldbrand-Tanklöschfahrzeuge beschafft, zehn weitere geländegängige Waldbrand-Tanklöschfahrzeuge seien bestellt worden, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Weitere Spezialtechnik für Waldbrände - unter anderem Großtanklöschfahrzeuge, geländegängige Logistikfahrzeuge mit spezieller Waldbrandausrüstung sowie Fördersysteme für Löschwasser sollen in den nächsten Jahren beschafft werden. (dpa/sn)