Dresden - Das Vorgehen der Polizei gegen ein Filmteam des ZDF in Dresden sorgt für bundesweites Aufsehen. Wie Ermittlungen ergeben haben, wurde es von einem Mitarbeiter des Landeskriminalamtes Sachsen ausgelöst. Der Mann hat im Zuge des Besuches von Bundeskanzlerin Angela Merkel an einer Demonstration von AfD und PEGIDA teilgenommen. Er hat sich verbal gegen das Filmen des Kamerateams gewehrt. Daraufhin wurden die Journalisten nach einer Polizeikontrolle 45 Minuten lang festgehalten. Das Verhalten hat scharfe Kritik ausgelöst. In einer Sondersitzung des Innenausschusses des Sächsischen Landtages wurde mit der Aufbereitung des Geschehens begonnen.
SACHSEN FERNSEHEN zeigt die Statements in voller Länge um 20:30 und 22:30 Uhr.
Auch in den nächsten Wochen wird der Vorfall am vergangenen Donnerstag die Mitglieder des Innenausschusses sowie die Polizei beschäftigen. Innenminister Wöller appelliert an die gewissenhafte Prüfung der Vorfälle. Bereits am Freitag wollen die Polizei und das Kamerateam ins Gespräch kommen.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, erklärt: „Die Polizei genießt ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Dies darf nicht beschädigt werden! Wir vertrauen als CDU unserer Polizei und weisen jeden Generalverdacht zurück. Deshalb klären wir diesen Vorgang lückenlos auf – auch im Interesse unserer Polizei und der Presse- und Meinungsfreiheit. Schließlich handelt es sich um hohe Güter von Verfassungsrang, die es unbedingt und zu jeder Zeit zu schützen gilt.“
„Zum Verhalten der Polizeibeamten vor Ort ist zusagen, dass sie offensichtlich grundsätzlich korrekt gehandelt haben. Ich hätte allerdings erwartet, dass sie in der angespannten Situation deutlicher den Presseauftrag des Fernsehteams im Blick gehabt hätten. Gleichwohl ist es die Aufgabe der Polizei, jeder Anzeige, ohne Ansehen der Person, nachzugehen“, betont der CDU-Innenpolitiker.
Hartmann stellt fest: „Für die Polizei in Sachsen ist dieser Vorfall ein Weckruf. Er mahnt uns dazu, intensiver über das Thema Werte und Verhaltensnormen für Staatsdiener nachzudenken, unabhängig ob es sich um Beamte oder Angestellte handelt. Wir müssen uns die Frage stellen, bis zu welchem Grad die Polizei Ansichten und Meinungen in ihren Reihen tolerieren kann, die nicht mit dem gesellschaftlichen Frieden im Einklang stehen.“
Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE: "Nach unserer Überzeugung auf Grundlage der bisher bekannt gewordenen Fakten hat sich die Polizei gegenüber den Journalisten vor Ort offenbar unverhältnismäßig verhalten. Es ist zudem befremdlich, das sie das vom Fernsehteam angebotene Videomaterial als Beweismittel nicht angenommen hat.
Nach der vorschnellen Urteilsverkündung des Ministerpräsidenten via Twitter schon am Wochenende, die er bis heute nicht widerrufen hat, dass einzig die Polizei „seriös“ aufgetreten sei, ist eine unabhängige Untersuchung dieser schwerwiegenden Beeinträchtigung der Pressefreiheit durch sächsische Sicherheitsbehörden im Einflussbereich der Staatsregierung nicht mehr möglich. Dies gilt umso mehr, seit – noch erklärungsbedürftig verspätet – bekannt wurde, dass ein Beschäftigter des Landeskriminalamtes als Pegida-Pöbler dieses unsachgemäße Polizeigebaren provoziert hat.
Nachdem der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer mit seiner Facebook-Attacke wider die betroffenen Journalisten den Eindruck erweckt hat, gar die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks faktisch von politischer Wohlgefälligkeit abhängig machen zu wollen, dürfte jedem klar sein: Hier geht es insgesamt um die Wirksamkeit der Grundrechte im Freistaat Sachsen. Dazu müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten – angefangen beim Ministerpräsidenten und dem Innenminister, die die Grundrechtstreue der gesamten sächsischen Polizei sicherzustellen haben."
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag erklärt: "Die heutige Sitzung des Innenausschusses hat eindeutig ergeben, dass es erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen gegenüber den ZDF-Journalisten gibt. Es war unverhältnismäßig, diese festzuhalten und einer mehrfachen Personenfeststellung zu unterziehen, nachdem sich die Person (mit Hut), die sich beschwert hatte, schon längst der Situation durch Weggehen entzogen hatte. Die Polizei hat die Journalisten also ohne Grund festgehalten. Die mehrfache Personenfeststellung war eine Behinderung der journalistischen Arbeit, die in diesem Maße nicht hinnehmbar ist und die auf ein unverhältnismäßiges Handeln der Polizei zurückzuführen ist."
"Es hat sich heute auch deutlich gezeigt, dass wir an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf bei der polizeilichen Ausbildung haben. Es gibt keine gesicherte Erlasslage dahingehend, wie Polizistinnen und Polizisten mit Medienvertreterinnen und -vertretern in solchen Situationen umzugehen haben. Dies zeigt sich auch an den Aufnahmen, in denen die Polizisten überfordert wirken und Entscheidungen getroffen haben, die wir nun hinterfragen müssen. Diese Ausbildungsmängel müssen dringend beseitigt werden. Wir brauchen eine konkrete Erlasslage, um sowas zukünftig zu verhindern. Wir brauchen eine bessere Ausbildung der Polizei im Umgang mit Medien bei Versammlungen. Wir GRÜNE werden das zum Thema in der nächsten Plenarsitzung machen."
"Darüber hinaus braucht es ein klares Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit im Freistaat Sachsen. Es kann nicht angehen, dass der Ministerpräsident an vorderster Front den Dolch gegen die Pressefreiheit in Sachsen führt und von seinem Fraktionsvorsitzenden unterstützt wird, der gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schießt. Solche Äußerungen sind eine Hypothek für den Freistaat und müssen in der Zukunft unterbleiben. Andernfalls redet man denjenigen das Wasser, die zum Angriff auf die Grundrechte blasen."
Artikel erstellt von: Natascha Hofmann