Mo, 25.11.2024 , 13:39 Uhr

Haben Deutschlands Pflegeheime ein wachsendes Qualitätsproblem?

Qualität in Pflegeeinrichtungen sinkt

Der aktuelle Jahresbericht der Heimaufsicht im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt lässt aufhorchen: 2023 wurden 1.145 Mängel in Pflegeeinrichtungen festgestellt. Ein Zuwachs von rund 400 gegenüber des Vorjahres. Sind diese Zahlen Einzelfälle und länderspezifisch, oder haben Deutschlands Pflegeheime allgemein ein wachsendes Qualitätsproblem?

Während die Unterbringungskosten in Alten- und Pflegeheimen bundesweit kontinuierlich ansteigen, scheinen auf den ersten Blick die Qualitätsstandards zu sinken. Besonders die Angehörigen der Pflegebedürftigen dürften bei den Zahlen aufhorchen. Es zeichnet sich der Trend ab, die Lieben so lange wie möglich zu Hause zu betreuen zu wollen.

Mögliche Gründe der Qualitätsmängel

Die Zahlen aus Sachsen-Anhalt klingen dramatisch. Selbst wenn sie in Relation zu den verstärkten Kontrollen gesetzt werden: sie spiegeln die aktuelle Situation in deutschen Pflegeheimen wider.

Zu wenig Personal ist dabei einer der Hauptgründe. Denn besonders in der Pflege besteht ein akuter Fachkräftemangel, welcher deutlich spürbar seinen Tribut fordert. Während 2022 noch 279 Mängel bei den personellen Anforderungen festgestellt wurden, waren es 2023 insgesamt 378. Ein deutlicher Anstieg. Die für deutsche Pflegeheime festgelegten Qualitätsstandards lassen sich also immer schwieriger umsetzen und einhalten.

Andreas Voss, Pflegeberater der Regional Pflege Dresden, sagt: “Eine 24 Stunden Pflege in den eigenen vier Wänden ist meist die bessere Alternative zum Pflegeheim, denn hier gibt es keinen Personalmangel, durch den die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen gefährdet sein könnte.”

Überwiegend handelt es sich um leichte Mängel wie fehlende Hinweisschilder, lückenhaft geführte Dokumentationen oder kleinere Unzulänglichkeiten in puncto Hygiene und Sauberkeit. Schwerwiegende Mängel wie beispielsweise Medikamentenfehler, Misshandlungen oder an Dekubitus (Wundliegen) leidende Patienten konnten hingegen seltener festgestellt werden. Laut Heimbericht für 2023 wurden in Sachsen-Anhalt insgesamt 36 Mängel in Bezug auf die Pflegedurchführung beanstandet.

Die Redakteurin Heike Bielenstedt vom Informationsportal Treppenlift-Pflegekasse.de bestätigt:„Immer mehr pflegebedürftige Menschen bleiben so lange wie möglich in ihrem gewohnten Lebensumfeld; nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, beispielsweise einen Treppenlift zu mieten.” Dennoch hat nicht jeder Angehörige die zeitliche Kapazität und körperliche Verfassung sich neben der Arbeit, den Kindern und den täglichen Aufgaben zusätzlich um die pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. Für viele Familien fällt daher die Entscheidung, die Pflegebedürftigen in professionelle Hände zu geben.

Deutschlands Pflegeheime im Vergleich

Werden die im Heimbericht für Sachsen-Anhalt veröffentlichten Zahlen im Zusammenhang mit den Qualitätsbewertungen anderer Bundesländer verglichen, wird deutlich: Es gibt 2024 noch schlechtere Bewertungen bei der geforderten Qualität. Die Qualität in deutschen Pflegeeinrichtungen liegt bei durchschnittlich 92,73 Prozent. Spitzenreiter ist dabei das Saarland mit 96,84 Prozent. Sachsens Pflegeheime werden mit 95,61 Prozent bewertet und liegen damit auf dem dritten Platz im Ranking. Am schlechtesten wird die Qualität in Rheinland-Pfalz mit 86,3 bewertet.

Abweichungen gibt es zudem bei den Trägerschaften. Während kommunale Einrichtungen im durchschnittlich 93,75 Prozent Qualitätsstufe erreichen, liegt diese bei privat betriebenen Pflegeeinrichtungen gerade einmal bei 91,98 Prozent. Absolutes Schlusslicht sind im privaten Sektor die DOMICIL Seniorenresidenzen in Hamburg, welche gerade einmal im Durchschnitt 86,26 Prozent bei den Qualitätsstandards erreichen.

Immerhin: Alle Durchschnittswerte liegen zumindest im oberen Qualitäts-Segment. Dennoch ist festzustellen, dass die durchschnittliche Qualität im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist.

Das wissenschaftliche Institut der AOK kommt in seinem Pflegereport 2023 zu ähnlichen Ergebnissen. Aufgrund der Datenerhebung von 2021 haben die Forscher zudem festgestellt, dass Pflegebedürftige in den neuen Bundesländern in der Regel besser versorgt werden. So wurden in Ostdeutschland beispielsweise weitaus weniger Patienten mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln ruhig gestellt.

Transparenz bei Qualitätsbewertungen

Wer sich eingehend über die Qualitätsbewertungen eines Pflegeheims oder eines Pflegedienstes informieren will, kann sich am Qualitätsatlas Pflege orientieren. Seit 2020 geht das außerdem ganz einfach über die Webportale der jeweiligen Pflegekassen. Vom Pflegenavigator der AOK über den Pflegelotsen der Barmer bis zum Pflegefinder der Betriebskrankenkassen: Mittlerweile wird überall auf Transparenz gesetzt.

Die Mängellisten bei den Kontrollen von Pflegeeinrichtungen nehmen zu. Sie sind aber nur auf den ersten Blick den Kontrollen geschuldet, die wieder verstärkt durchgeführt werden. Vielmehr ist es der Pflegenotstand, der sich zunehmend stärker auf die Qualität von Deutschlands Pflegeheimen auswirkt. Es bleibt abzuwarten, ob sich in naher Zukunft daran etwas ändern wird. Dennoch ist es nachvollziehbar, dass viele Pflegebedürftige gern so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden von Angehörigen betreut werden wollen, denn die ambulante Pflegehilfe kämpft genau wie die stationäre mit extremen Fachkräftemangel.

Quellen: