Sa, 12.08.2023 , 18:00 Uhr

Seltene Auszeichnung: Ehrenbürger in Sachsen

Bei der Verleihung von Ehrenbürgerschaften sind die Kommunen in Sachsen ausnehmend sparsam. In einigen Fällen liegen die letzten derartigen Ehrungen, die als Anerkennung von außergewöhnlichen Leistungen gelten, schon Jahrzehnte zurück, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den großen sächsischen Städten ergab. Das Ehrenbürgerrecht ist die höchste Auszeichnung der Landeshauptstadt Dresden, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Aktuell lägen dem Ältestenrat mehrere Vorschläge vor. Ein Blick in die Liste der bisherigen Ehrenbürger gleicht einem Gang durch die Geschichte. Über die Vergabe von Ehrenbürgerschaften muss dem Sprecher zufolge der Stadtrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln entscheiden. Den Ausgewählten wird eine besondere Urkunde übergeben und sie tragen sich in das Ehrenbuch der Landeshauptstadt ein.

 

58 Menschen sind in Dresden laut dem Sprecher bisher zu Ehrenbürgern ernannt worden. Den Anfang machte 1833 Johann Paul von Falkenstein, ein Staatsbeamter. Ihm folgten weitere Politiker, Künstler, Unternehmer, Wissenschaftler und Beamte wie etwa 1843 der damalige sächsische Regierungschef Bernhard August von Lindenau, der Reichsgründer und erste Reichskanzler Otto von Bismarck (1871) und der Unternehmer und Erfinder des Odol-Mundwassers sowie Gründer des Deutschen Hygiene-Museums Karl August Lingner (1911). Nach Kriegsende kamen unter anderem der DDR-Regierungschef Otto Grotewohl (1964) und der Maler Wilhelm Rudolph (1979) hinzu. Der bisher letzte in der Reihe der Ehrenbürger ist der ehemalige Baudirektor der Frauenkirche, Eberhard Burger (2006). Schon im Juni 1945 hatte der Rat Adolf Hitler, dessen Reichsinnenminister Wilhelm Frick und dem ehemaligen sächsischen Nazi-Gauleiter Martin Mutschmann die Ehrenbürgerschaft wieder aberkannt. Der ehemalige Reichspräsident Paul von Hindenburg durfte sie hingegen behalten. Ehrenbürgerschaften bestehen grundsätzlich nur zu Lebzeiten des Geehrten und enden mit dessen Tod. Eine nachträgliche Aberkennung, also nach dem Tod, gilt deshalb als symbolischer Akt, um sich etwa von undemokratischer Politik oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzugrenzen. Anders als in Dresden ist Paul von Hindenburg in Leipzig die Ehrenbürgerschaft nach seinem Tod wieder aberkannt worden. Allerdings geschah das erst nach dem politischen Ende der DDR im Dezember 1990. Auch Hitler, dessen Generalgouverneur für Polen, Hans Frank, und Wilhelm Frick wurden erst zu diesem Zeitpunkt aus der Liste gestrichen. Warum dies so spät geschah, ist nicht bekannt. Am gleichen Tag verlor auch der ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Chef Walter Ulbricht, ein Sohn der Stadt, die  Ehrenbürgerschaft, die ihm 1958 aus Anlass von dessen 65. Geburtstag verliehen worden war. Der ehemalige Universitätsrektor Karl Binding, dem 1909 der Ehrentitel verliehen worden war, verlor seine Ehrung 90 Jahre nach seinem Tod - im Jahr 2010. Binding hatte sich in einem zusammen mit dem Psychiater Alfred Hoche verfassten Werk für die Tötung unheilbar kranker und behinderter Menschen ausgesprochen. Die Schrift diente den Nazis als Rechtfertigung für die Ermordung dieser Menschen.

 

Andere bekannte Persönlichkeiten unter den bisher 90 Leipziger Ehrenbürgern sind der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy (1843), der Buchhändler Heinrich Brockhaus (1872), der vormalige Gewandhauskapellmeister Kurt Masur (1989) sowie der Schriftsteller Erich Loest (1996). Die bisher Letzte in der Reihe ist Channa Gildoni, die 1923 in der Stadt geboren wurde. Sie erhielt die Auszeichnung 2022 für ihre Verdienste um die deutsch-israelische Aussöhnung. In Chemnitz wurden unter anderem der Maler Karl Schmidt-Rottluff, der Volkswagen-Manager Carl Hahn sowie der DDR-Fliegerkosmonaut Sigmund Jähn und dessen sowjetischer Kommandant Waleri Bykowski zu Ehrenbürgern ernannt. Ehrenbürger aus jüngerer Zeit sind unter anderem die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt, deren Trainerin Jutta Müller sowie die ehemalige Generaldirektorin der Städtischen Kunstsammlungen, Ingrid Mössinger. (dpa)