Dresden - Viele Dresdner haben sich trotz Polit-Chaos um die Vergabe des St. Georgs-Ordens ihre Laune nicht verderben lassen.
Hunderte feierten den Semperopernball 2020 auf dem Theaterplatz und in der Oper - aber deutlich weniger als in den Vorjahren.
Der Semperopernball hatte die Gemüter in den letzten Wochen stark erregt. Ging es sonst überwiegend um Glamour, Tanz und Blitzlicht, so bleibt in diesem Jahr vor allem ein bitterer Nachgeschmack.
Der Semperopernball gehört wie kein anderes Event zu Dresden. Die internationale Kulturwelt schaut dann besonders auf die sächsische Landeshauptstadt. Opernball-Initiator Hans-Joachim Frey hatte im Vorfeld vor allem durch Negativ-Schlagzeilen auf den Ball aufmerksam gemacht. Die Verleihung des St. Georgs-Ordens war in jedem Jahr ein Highlight. Geehrt wurden kulturell bedeutende Persönlichkeiten, die sich für Frieden und Humanität einsetzen - so zumindest die ursprüngliche Idee.
Bereits in vergangenen Jahren wurde die Preisvergabe oft kritisiert, so beispielsweise 2009, als der russische Präsident Wladimir Putin die Ehrung überreicht bekam. 2020 jedoch erreichte die Diskussion um den Orden seinen Höhepunkt, als dieser an den ägyptischen Politiker al-Sisi übergeben wurde. Der Verein um den Semperopernball stimmt über die Vergabe ab, wer jedoch im Detail an dieser Abstimmung teilgenommen hat, möchte Initiator Frey nicht preisgeben. Er verteidigte bis zuletzt die Ehrung für al-Sisi, so sei dieser doch eine "bedeutende Person des öffentlichen Lebens und vor allen in der arabischen Welt eine vorantreibende Kraft für kulturelle Entwicklung", so Frey. Al-Sisi ist international durch seinen diktatorischen Politikstil bekannt. Menschenrechte und öffentliche Meinungsäußerungen werden nach wie vor in Ägypten nicht genug respektiert, vor allen auch durch Politiker wie Al-Sisi. Die Verleihung eines humanitären Preises also nur eine Farce? Für gewöhnlich findet die Preisverleihung im Rahmenprogramm der Veranstaltung selbst statt, Hans-Joachim Frey reiste jedoch kurz vor Ballbeginn nach Kairo, um den Preis dort persönlich an al-Sisi zu übergeben, in der Vorahnung, dass es die Dresdner nicht gut heißen würden, wenn der umstrittene Politiker nach Sachsen käme.
Über die Motive von Frey und dem Opernball e.V. lässt sich streiten. Frey muss sich mit der Anschuldigung auseinandersetzen, hinter der Vergabe an das eigene Kalkül gedacht zu haben. Seine enge Verbindungen nach Russland haben ihm bereits häufig in seiner Karriere weitergebracht und in Kairo wurde aktuell ein neues Opernhaus eingeweiht.
Viele Prominente haben aufgrund der fragwürdigen Entscheidung abgesagt. Besonders bitter für den Opernball auch der Rücktritt der geplanten Moderatorin Judith Rakers. Als Journalistin und Tagesschausprecherin distanziert sie sich von der Preisvergabe und möchte mit dieser nicht negativ in Verbindung gebracht werden. Ersatz-Moderatorin Mareile Höppner, schon geübt in der Moderation des Semperopernballs, macht wenige Tage nach der Bekanntgabe ihrer Teilnahme ebenfalls einen Rückzieher. In den sozialen Netzwerken habe sie zu viel Hass zu spüren bekommen, verrät die Journalistin.
Bekannte Gesichter wie der Schauspieler Ben Becker, Model Eva Padberg oder der ehemalige Fußballspieler Uli Hoeneß kommen nicht. Erst als auch Peter Maffay, geplant als Mitternachtsakt am Freitagabend, droht, nicht aufzutreten, zieht Initiator Frey die Reißleihne und erkennt al-Sisi die Ehrung ab. Was bleibt ist ein bitterer Nachgeschmack, auch wenn viele Prominente trotz der negativen Berichterstattung gekommen sind. Ab 18 Uhr durften diese einen glamourösen Sekt-Empfang im Hotel Taschenberg-Kempinski erleben.
Die Dresdner lassen sich vom Polit-Chaos nicht beirren. Zahlreiche Semperopernball-Fans versammeln sich auf dem Theaterplatz, oft mit selbst gestalteten Hüten und der obligatorischen Flasche Sekt. Es wird geschunkelt oder wild getanzt - die Stimmung ist ausgelassen. Die im Vorfeld angekündigten Demonstrationen durch beispielsweise Amnesty International fallen deutlich kleiner aus als erwartet. Eine Besucherin meint: "Es ist doch schade, wenn uns die Politiker diese Veranstaltung kaputt reden. Es ist vor allem ein Fest für die Dresdner." So wie sie sehen viele den Opernball: Es geht um einen Blick auf den roten Teppich und den heiß ersehnten Mitternachts-Act Petter Maffay. Als dieser auftritt, gibt es kein Halten mehr.
Wie strategisch sinnvoll der St. Georgs-Orden in den nächsten Jahren verliehen wird bleibt abzuwarten. Auch wenn die Preisverleihung in diesem Jahr kein Teil des Bühnenprogramms war, so können die Besucher im nächsten Jahr eventuell wieder damit rechnen. Sicher hat Initiator Frey von den Erfahrungen gelernt.
Die Semperoper hat sich als Institution im Vorfeld klar positioniert und auch Oberbürgermeister Dirk Hilbert will weiter erörtern, weshalb es überhaupt zur Verleihung kommen konnte. Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass der Orden im Bereich Wirtschaft an den Unternehmer Hans Naumann ging. Auch er ist in der Vergangenheit durch rassistische Aussprüche negativ aufgefallen. Im Zusammenhang mit der amerikanischen Präsidentschaftswahl soll er als Trump-Unterstützer gemeint haben, "die weiße Rasse solle mehr zusammenhalten". Was ist ein Ehrenpreis wert, wenn sich ein potenzieller Preisträger in die Reihe der bereits bestehenden Gewinner einreihen muss?