Leipzig – Hoher Andrang bei der zweiten Baustellenbegehung der Niemeyer-Sphere am Samstag auf dem Gelände der Kirow-Werke in Neulindenau.
Hier oben soll sie thronen und schon aus der Ferne ins Auge fallen, die futuristische Stahlbeton-Kugel mit einem Durchmesser von 12 Metern. Einer der letzten Entwürfe des berühmten brasilianischen Architekten der Moderne: Oscar Niemeyer.
Ludwig Koehne, Geschäftsführer der Kranbau-Firma und Architekturliebhaber schrieb ihm 2011 einen Brief mit der Bitte, einen Entwurf für ein Restaurant anzufertigen, das auf dem Gelände seines Betriebes entstehen soll.
„Unser Plan war ja, dass man eben einen Ort findet, der die Kantine so aufwertet – die ja auch schon seit 10 Jahren ein öffentliches Restaurant ist –, dass man dort eben sehr gerne auch abends hingeht und dass auch die Lebensfreude auf die Mitarbeiter ausstrahlt. Da ist Oscar Niemeyer natürlich prädestiniert dafür, weil das zeichnet seine Architektur eben aus“, erklärt Ludwig Koehne, Geschäftsführer der Kirow-Werke.
Oscar Niemeyer antwortete prompt und lud Koehne nach Brasilien ein, wo er ihm erste Zeichnungen vorstellte.
Jair Valera, rechte Hand und enger Freund des Stararchitekten, half bei der Weiterentwicklung der Skizzen und Ausführungsplanung. Harald Kern, der neben Valera der ausführende Architekt dieses einzigartigen Kugelbauwerkes ist, schätzt ihn als treibende Kraft besonders.
„Er ist – glaub ich – der Einzige, der die Linienführung, die Raumproportionen, die Materialien überhaupt fassen und vermitteln kann. Über die Zusammenarbeit, die auch zu einer Freundschaft und Partnerschaft geworden ist, bin ich sehr glücklich. Wir hätten das niemals realisieren können, wir hätten das nur interpretieren können, aber ich glaube nicht, Niemeyer gerecht umsetzen zu können“, erzählt Harald Kern, ausführender Architekt.
Größere Betonierarbeiten sowie der Bau der oberen und unteren Halbschale samt Äquator wurden bereits abgeschlossen. Es folgen Retouchierarbeiten am weißen Beton. Für den Leipziger Architekten ist der Bau dieses Unikats durchaus eine Herausforderung.
„Eine Kugel wäre – glaube ich – relativ einfach, aber diese Kugel lebt eben durch die großen Fensterausschnitte. Da ist dann eben auch zu beachten, dass wir die Kugel in zwei Betonierabschnitten gebaut haben. Das geht technologisch nicht anders. Die Kugel an sich trägt dann aber erst, wenn sie vereint ist, und die obere Schale dann ihre volle Tragkraft entwickelt hat. Zum Einen ist es der Unikatbau, zum Anderen ist es der Eingriff in den Bestand und zum Anderen sind es eben die Bauzustände, die jeweils immer ein anderes statisches System darstellen“, erklärt Kern.
Ein weiteres einzigartiges Attribut stellen die geplanten Zweidrittel Fensterausschnitte dar. Diese werden aus schaltbaren Flüssigkristallfenster-Modulen bestehen, die mit einem Klick der blendende Sonne Einhalt gebieten. Technologie, die den poetischen Vorstellungen Niemeyers gerecht wird.
„Dann ist es so, dass man in diese Sphere durch einen dunklen Kanal eintritt und dann praktisch eine Himmelswarte betritt, wie ein begehbares Auge. Das Erlebnis dürfte so sein, dass man ungestört die Wolken beobachten kann, auch bei stürmischem Wetter, und so eine Art Verbindung mit dem Kosmos entsteht“, so Koehne.
Am Sonntag finden weitere Baustellenführungen jeweils 13 und 15 Uhr statt. Im kommenden Frühjahr soll das fertige architektonische Meisterwerk dann bewundert werden können.