Do, 01.09.2022 , 15:30 Uhr

Soziologe: Liberale Demokratie wird Ziel der Proteste gegen Regierung

Sachsen - Nach den Einschätzungen des Soziologen Matthias Quent werden die Proteste gegen die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und der erhöhten Inflation allein durch weitere Entlastungen kaum zu beruhigen sein.

Der Fachmann für Rechtsextremismus und Radikalisierung an der Hochschule Magdeburg-Stendal der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte, dass ein Großteil der Proteste nicht aus einer materiellen Betroffenheit heraus organisiert sei, das habe man in den vergangenen Jahren gesehen.

Immer schärfer werden führende Politiker der Ampel-Koalition, wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), bei öffentlichen Auftritten angegangen. So wurde Scholz während seiner Sommertour in Neuruppin niedergebrüllt, während die rechtsextreme Splitterpartei 'Freie Sachsen' gegen Habeck auf dem Marktplatz in Heidenau einen Schauprozess veranstalten wollte, was jedoch Gerichte verboten.

 

Wie Quent sagte, sei die AfD und verschiedene Netzwerke, vor allem rechtsradikale und verschwörungsideologische, überall aktiv, wo Spitzenpolitiker wie Habeck und Scholz auftauchen. Die Netzwerke kenne man schon aus den Corona-Demonstrationen. Es gelinge ihnen, ihre Proteste wie spontane Bürgerproteste aussehen zu lassen, so Quent. Zwar gebe es auch gute Gründe, zu protestieren, auf der anderen Seite gebe es aber eine Art Themen-Hopping von Akteuren, die eigentlich andere Interessen haben und letztlich die liberale Demokratie schwächen wollen.

Die Anfälligkeit sei hierfür in Ostdeutschland höher als im Westen, so Quent. Es gebe größeres Anschlusspotenzial aufgrund der schwierigeren finanziellen Situation und der Ungleichheit im Osten. Auf der anderen Seite sei, laut Quent, aber vor allem das Netzwerk und die Akteurslandschaft derjenigen, die diese Krise für ihre Zwecke ausnutzen können und wollen, viel elaborierter. Die erklärte Strategie laute: «Wir übernehmen den Osten und von dort aus greifen wir den Westen an.» (mit dpa)