Sa, 21.10.2023 , 10:40 Uhr

SPD kritisiert Äußerung von Kretschmer zur Bildungsqualität scharf

Dresden - Aus der SPD sind Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zur Qualität der Bildung im Freistaat ungewöhnlich scharf kritisiert worden. Bildungsexpertin Sabine Friedel zeigte sich am Freitag «entsetzt über eine solche Verdrehung der Tatsachen». «Sächsische.de» hatte Kretschmer am Donnerstag nach einer Diskussion im Bautzener Schiller-Gymnasium mit den Worten zitiert: «Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil wir Schüler beschulen müssen, die von außen kommen.» Friedel wies das zurück. Man müsse Verantwortung übernehmen statt Schuld abwälzen.

 
 
«Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil das sächsische Bildungssystem jahrzehntelang unterfinanziert war. Weil heute in den Schulen die Lehrkräfte fehlen, die vor fünfzehn Jahren nicht eingestellt wurden. Weil kein Puffer eingeplant und das System drastisch auf Kante genäht ist», argumentierte die Landtagsabgeordnete Friedel. Jede Erkältungswelle, jeder kleine Geburtenanstieg und natürlich auch die Aufnahme geflüchteter Kinder und Jugendlicher führe dadurch zu Unterrichtsausfall. «Doch es ist absolut beschämend, jetzt mit dem Finger auf die zu zeigen, die 'von außen' kommen.»
 
Es sei dringend nötig, dass der Ministerpräsident und seine Partei ihre «So-wenig-wie-möglich-Mentalität aufgeben und anerkennen, dass Systeme Puffer brauchen, um leistungsfähig zu sein», kritisierte Friedel den Koalitionspartner.
 
Die SPD-Nachwuchsorganisation Juso sprach von «Hetze». «Der Ministerpräsident ist offenbar mehr damit beschäftigt, Sündenböcke für die verfehlte CDU-Bildungspolitik zu suchen, als die Probleme wirklich anzugehen. Dass Michael Kretschmer nun Geflüchtete für den Lehrkräftemangel verantwortlich macht, ist geschmacklos und befeuert Fremdenfeindlichkeit in Sachsen unnötig weiter», betonte Juso-Landesvize Lukas Peger.
 
«Es ist Unsinn, dass Geflüchtete die Qualität der Bildung im Freistaat gefährden. Solche Aussagen sind gerade in der aktuell ohnehin schon angespannten Situation Wasser auf die Mühlen derer, die ganz bewusst gegen schutzbedürftige Menschen hetzen», erklärte Christin Melcher, Bildungsexpertin der Grünen im Landtag. Die derzeitige Situation habe nichts mit der Beschulung geflüchteter Minderjähriger zu tun, hob Linke-Politikerin Luise Neuhaus-Wartenberg hervor. Der Ministerpräsident verschiebe Verantwortung und befördere die «Sündenbocktheorie».
 
Kretschmer hatte wiederholt eine Eindämmung der Migration gefordert. «Die Zahlen müssen dramatisch nach unten im kommenden Jahr, im übernächsten Jahr unter 100 000», sagte er am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach sich dafür aus, Familiennachzug zu begrenzen, Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber zu reduzieren und Grenzkontrollen auch künftig fortzuführen. Bis Ende des Jahres müsse ein «Instrumentenkasten» vorliegen: «Um die Zahl der illegalen Migranten so zu reduzieren, dass das auch wieder funktioniert. Mit den Kindergärten, mit den Schulen, mit den Deutschkursen, mit den Wohnungen.»
 
(dpa)