Sa, 01.07.2023 , 07:43 Uhr

THE INGABO – A NIGHT TO FALL

Open-air-Musiktheater über die deutsche Kolonialisierung in Burundi und den Widerstand der Ingabo-Kämpfer mit Künstlerinnen und Künstlern aus Burundi und Deutschland

Was verbindet das ostafrikanische Land Burundi mit Deutschland, genauer gesagt mit der Oberlausitz? Künstlerinnen und Künstlern aus beiden Ländern erzählen gemeinsam Widerstandsgeschichten und zeigen die Verwüstungen der Kolonialisierung aus burundischer Perspektive in Form eines Re-Enactments des Abadasigana-Aufstandes. In dem neuen Theaterstück, das am 1. und 2. Juli 20 Uhr openair im Klosterhof Zittau aufgeführt wird, wird der burundische Abadasigana-Aufstand 1906 mit dem schlesischen Weberaufstand von 1844 in Bezug gesetzt.

Beide Aufstände wurden brutal niedergeschlagen und in der Öffentlichkeit zensiert. Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ durfte zunächst nicht aufgeführt werden. Die Zerschlagung des Aufstands in der deutsch-ostafrikanischen Kolonie durch Gustav Adolf Graf von Goetzen ist bis heute in Burundi ein Tabu. Eine weitere Parallele: Der Gouverneur und der Dramatiker wuchsen wenige Kilometer entfernt voneinander zeitgleich in Niederschlesien auf. Ausgehend von Hauptmanns Drama entwickeln die Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und Burundi ein neues Musiktheater als Re-Enactement der Widerstandsbewegung „Abadasigana“. Ein Kampfstück gegen die immer noch nicht aufgeklärten Gräueltaten der deutschen Kolonialzeit.

THE INGABO – A NIGHT TO FALL schafft durch seine Verbindung von deutsch-burundischer Geschichte mit historischen Texten und sinnlichen Elementen wie Tanz, Musik und Gesang eine außergewöhnliche Theatererfahrung, die von vergangenen Verletzungen ebenso erzählt wie von heutigen Gemeinsamkeiten und der Möglichkeit von Begegnung und Austausch.

Weitere Aufführungstermine:

8. Juli 18 Uhr und 22 Uhr GÖRLITZ openair
Internationales Straßentheaterfestival „Via Thea“,
KOMMWOHNEN Service GmbH Konsulstraße 65

9. Juli 18 Uhr BAUTZEN openair
Deutsch-Sorbisches Volkstheater Bautzen im Theatergarten, Seminarstr. 12

Entwicklung des Theaterstücks

Seit Oktober 2022 hat das deutsch-burundische Team rund um die Autorinnen Andra Schwarz und Rivardo Niyonizigiye intensiv im Musikarchiv der Ethnologischen Sammlungen in Berlin recherchiert und originale Tonaufnahmen traditioneller Musik aus Ostafrika des 19. Jahrhunderts gehört. Rivardo Niyonizigiye übernahm dabei die Darstellung des Abadasigana-Aufstands, während Andra Schwarz sich auf die Perspektiven von vier Figuren der deutschen Kolonialzeit konzentrierte: Den Dichter und Dramatiker Gerhart Hauptmann, den Kolonialgouverneur Adolf von Goetzen, den ehemaligen Marineoffizier, Aktivisten und Publizisten Hans Paasche und seine fiktive Figur, den afrikanische Berichterstatter Lukanga Mukara. Dieser aus Zitaten und Eigentexten collagierte Teil des Stücks reflektiert das Denken zur Zeit des europäischen Imperialismus, das von Abenteuerlust, Fortschrittsglauben und Euphorie über die Mechanisierung der Welt, aber auch von einem skrupellosen Eroberungswillen, Rassendenken und der ständigen Suche nach neuen Profitmöglichkeiten geprägt war.

In Burundi entwickelte das burundisch-deutsche Regieteam Theresa von Halle und Athur Banshayeko das Theaterstück weiter und besuchte die historischen Schauplätze der Kolonialzeit. Die Musiker Romain Balola und Konstantin Dupelius erschufen musikalische Arrangements, die nicht nur von der traditionellen Musik Burundis und Ruandas beeinflusst sind. Sie integrierten auch europäische Einflüsse, wie etwa eine Vertonung von Heinrich Heines „Weberlied“ oder Gustav Mahlers Kunstlied „Revelge“ für Singstimme und Orchester. Neben der Musik ist Tanz ein weiteres wichtiges Element. Für die königlichen Ingabo-Krieger waren Tanz und Kampf untrennbar verbunden und noch heute sind die Tänze der Intore in Burundi beliebt und weit verbreitet.

An der Inszenierung sind fünf burundischen Darsteller*innen und eine deutsche Schauspielerin beteiligt. Die Besetzung der Ingabo-Kämpfer und der vier Charaktere – Hauptmann, von Goetzen, Paasche und Mukara – wurden unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Sprache vorgenommen, so dass auch die deutsche Spielerin Johanna Paliege als Teil der Ingabo auftreten wird, während Florence Irakoze und Audace Ndabahawe die Rollen von Paasche und Hauptmann übernehmen. Dafür wurden vor Ort die deutschen Texte ins Englische übersetzt und literarische Schriftsprache in sprechbaren Text umgewandelt. Einzelne Sätze bleiben in Deutsch, außerdem wird die lokale Hauptsprache Kirundi sowie Französisch verwendet.

Produktion

Konzeptionelle Leitung: Hans Narva / Produktionsleitung: Finja Rosenbaum / Produktionsassistenz: Leon Walkow / Musikalische Leitung: Konstantin Dupelius / Regie: Theresa von Halle / Künstlerische Gesamtleitung & Regie: Arthur Banshayeko / Autor & Sänger: Rivardo Niyonizigiye / Bühne & Kostüm: Lyca Lynca Mugisha / Drehbuch: Andra Schwarz / Dramaturgie: Theresa Selter / Komposition: Romain Balola /Mitwirkende: Florence Irakoze, Fidès Niyonzima, Audace Ndabahawe, Alain Butoyi, Berenice Irumva, Johanna Paliege, Annette Rössel, Stefan Dedek

Das transkulturelle Musiktheaterprojekt ist eine Kooperation des Buja sans tabou-Festival Bujumbura, des „Kommen und Gehen“ – Das Sechsstädtefestivals! und des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau. Das Projekt wird gefördert im Fonds TURN2 der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das Projekt wird außerdem unterstützt von der Partnerschaft Baden-Württemberg–Burundi und der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ).