Mi, 28.06.2023 , 09:21 Uhr

Verfassungsschutzbericht

Verfassungsschutz - Rechtsextremismus bleibt größte Demokratie-Bedrohung

Sachsen - Rechtsextremismus bleibt nach Einschätzung der sächsischen Sicherheitsbehörden weiterhin die größte Bedrohung für die Demokratie. Das erklärte Dirk-Martin Christian am Dienstag bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts in Dresden.

Symbolfoto

Laut Innenminister Armin Schuster (CDU) beläuft sich die Anzahl der Rechtsextremisten auf 4350. Besonders aktiv ist die Partei "Freie Sachsen" mit ihren 1000 Mitgliedern, die als dynamischste und mobilisierungsstärkste Gruppierung gilt.

Nach dem Ende der Corona-Pandemie haben Rechtsextremisten neue Themen mit "Empörungspotenzial" gefunden. Rechtsextreme Ideologien sickern in anderen Milieus während Protesten ein. Es gibt auch verstärkte Bestrebungen zur Vernetzung der Szene. Im Jahr 2022 wurden rechtsextreme Akteure für 58 Gewalttaten verantwortlich gemacht (im Vergleich zu 81 im Jahr 2021). Die Zahl von Musikveranstaltungen der rechtsextremen Szene ist ebenfalls angestiegen. Im vergangenen Jahr gab es zwölf rechtsextremistische Konzerte und 24 Liederabende, während es 2021 neun bzw. 16 waren.

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat auch einen Anstieg bei sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern registriert. Diese Gruppen leugnen die bestehende Rechtsordnung und erkennen die Bundesrepublik nicht an. Ihre Zahl stieg innerhalb eines Jahres um 600 auf 2500 Personen an. Laut LfV-Präsident Christian ist dies jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Diese Entwicklung wird mit der Corona-Pandemie in Verbindung gebracht. Dresden entwickelt sich zunehmend zum "Reichsbürger-Hotspot", während sich die Szene im ländlichen Raum konzentriert.

Laut LfV geht von einigen individuellen, verschwörungstheoretisch geprägten Reichsbürgern ein erhöhtes Gefährdungspotenzial aus. Die Gruppierung "Königreich Deutschland" breitet sich weiter aus und errichtet sogenannte "Gemeinwohldörfer". Es ist wichtig anzumerken, dass diese Dörfer nicht nur Orte für esoterische Seminare sind, sondern für die Ablehnung und Überwindung der Bundesrepublik Deutschland stehen.

Bei Linksextremisten verzeichnen die Verfassungsschützer eine zunehmende Gewaltbereitschaft. "Die Taten werden bedrohlicher. Einige Übergriffe bewegen sich am Rande versuchter Tötungsdelikte. Das ist eine neue Qualität", so Christian. Einzeltäter oder Kleinstgruppen wählen gezielt ihre Opfer aus, planen Übergriffe sorgfältig und erkunden im Vorfeld die Tatorte. Es gibt 650 gewaltbereite Linksextremisten, während die Gesamtzahl der Szene auf 890 Personen geschätzt wird. Linksextremisten werden für 174 Straftaten verantwortlich gemacht (im Vergleich zu 114 im Vorjahr).

Die Zahl der Islamisten in Sachsen bleibt im Bundesvergleich mit 450 Personen auf niedrigem Niveau, schätzte das LfV ein. Ihnen wird ein bewusster Missbrauch der Religion für verfassungsfeindliche Zielsetzungen attestiert. Es gebe weiter eine "abstrakte Gefahr von Terroranschlägen", aber momentan keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Sachsen, hieß es.

Ein neues Phänomen beschreibt der Verfassungsschutz mit dem Begriff "Delegitimierung des Staates". Dazu zählen die Verfassungsschützer Menschen, die in sozialen Medien oder auf Demonstrationen den Staat und Politiker unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit verächtlich machen und sogar Gewalt androhen. Die Zahl dieser Personen wird in Sachsen auf 120 geschätzt, die "Bürgerbewegung Leipzig 2021" als "erwiesen extremistisch" inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet.

"Aus der Helikopterperspektive sind unsere Radarschirme unverändert voll", sagte Schuster. Auch im Bereich von Spionage und Sabotage müsse man weiter wachsam sein. "Es ist wichtig, dass wir Verfassungsfeinde sichtbar machen." Für keinen Phänomenbereich könne man Entwarnung geben. "Alle Extremisten eint: Sie wollen unsere durch das Grundgesetz verfasste Ordnung beseitigen." (mit dpa)