Do, 19.10.2023 , 13:19 Uhr

Prozessauftakt in Dresden

Wiederholungstäterin vor Gericht: Welche Konsequenzen hat das "Klima-Kleben"?

Dresden - Weil sie sich an einer großen Blockade der "Letzten Generation" im März 2023 in Dresden beteiligte, muss sich jetzt die bekannte Klima-Kleberin Pia Osman vor dem Dresdner Amtsgericht verantworten. Zuletzt kam sie mit einem Freispruch davon.

Anfang Juli sorgte ein Urteilsspruch am Leipziger Amtsgericht bundesweit für Interesse und auch Empörung. Damals waren drei Frauen und zwei Männer, die sich an einer Straßenblockade der "Letzten Generation" beteiligt hatten, vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen worden. Die Vorsitzende Richterin begründete ihr Urteil auch damit, dass der Protest nicht "verwerflich" gewesen sei. Kurz nach dem Urteil klebten sich drei der Angeklagten wieder auf der Straße fest.

Heute - dreieinhalb Monate später - ist der Prozesssaal am Dresdner Amtsgericht gut gefüllt. Zusammen mit zahlreichen Medienvertretern und Unterstützern betritt Pia Osman den Gerichtssaal. Sie ist eine der in Leipzig freigesprochenen Aktivisten und muss sich heute für eine Straßenblockade am 15.03.2023 auf der Dresdner Ammonstraße/ Freiberberger Straße verantworten. Die Staatsanwältin fordert deshalb eine Geldstrafe von 1.200 Euro wegen Nötigung - Pia Osman und ihre Anwältin setzen, wie zuvor in Leipzig, auf einen Freispruch. Gleiches erhoffen sich auch ihre Unterstützer von der "Letzten Generation", die parallel vor dem Gerichtssaal eine Mini-Demo organisiert haben.

Osman - laut eigener Aussage seit zwei Jahren bei den Klima-Klebern aktiv -  beteiligte sich schon an zahlreichen Straßen-Blockaden in unterschiedlichen Städten, weshalb sie bereits mehrfach vor dem Gericht stand. Ihre Arbeitsstelle bei einem Demokratieförderungs-Projekt hat die 27-Jährige gekündigt und ihr Studium unterbrochen, um sich dem Aktivismus zu widmen, erzählt sie am Mittwoch vor Gericht.

Nachdem die Staatsanwältin mit leiser Stimme die kurze Anklageschrift verlesen hast, steht Pia Osman auf. „Sie müssen nicht stehen“, bemerkt der Vorsitzende Richter, doch die Angeklagte will stehen, um ihr vorbereitet Statement vorzutragen. Aufmerksam folgt der Richter den 20-minütigen Ausführungen von Pia Osman. Sie bestreite nicht, an einer „friedlichen Versammlung“ teilgenommen zu haben, sagt sie vorweg und referiert anschließend über den „zivilen Widerstand“, Formen der Demokratie und stellt dabei auch die aktuelle Form der Demokratie in Frage: zu viele „Lobbyisten“ gäbe es in der Politik und auch die fehlende Wahlalter-Absenkung sei demokratiegefährdend. Ihr Statement ist gespickt von Studien, auch Bertolt Brecht wird zitiert:

„Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“.

Im Anschluss befragt der vorsitzende Richter die Angeklagte zur Rettungsgasse, welche die Aktivisten laut Osmans Aussage bei Aktionen stets lassen würden: „Was ist denn für sie ein Notfall?“, Rettungswägen und Polizei seinen leicht erkennbar, aber sei nicht auch ein verletzter Hund, der von seinem Herrchen zum Tierarzt gefahren werden muss ein Notfall, fragt er. Eine „Einzelfallentscheidung“ sei es, für wen man die Rettungsgasse öffnen würde, antwortet Osman.

Zwei im Anschluss geladene Polizisten, können lediglich den damals erzeugten Stau bestätigen, von den dazugehörigen Fotos und Videos fehlt jedoch jede Spur. Kurz vor Ende beantragt die Verteidigerin von Pia Osman, den Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) als Zeuge zu laden. Er soll zu den verpassten Klimazielen Auskunft erteilen. Der Prozess wird Anfang November weitergeführt.