Ganz ohne Informationen über die zu präsentierenden Gegenstände scheiterten die Museumsmitarbeiter mitunter schon beim Antransport der musealen Ware.
Industriemuseum Chemnitz: Wenn der Zufall zum Kurator wird
Chemnitz- Was passiert, wenn eine Ausstellung ohne Plan entsteht? Wenn keine Experten entscheiden, welche Exponate gezeigt werden, sondern stattdessen das Glücksrad der Kunst dreht? Genau das kann man bald im Industriemuseum Chemnitz erleben. Die Ausstellung "John Cage. Museumcircle" verzichtet auf klassische Kuration und überlässt die Auswahl der Exponate dem Zufall. Ein Konzept, das für Verwirrung sorgt – aber auch für völlig neue Blickwinkel.
Ausstellungen im herkömmlichen Sinne nehmen Besucher gern an die Hand. Wer den roten Faden aufnimmt, wird in logischer Reihenfolge an musealen Kostbarkeiten vorbeigeführt. Diese lagern meist in dazu passenden Schaukästen. Mit Beipackzetteln versehen, halten die Ausstellungsstücke allerlei Informationen und Anekdoten zum jeweiligen Thema für Interessierte bereit. Am Ende des Rundgangs setzt sich so quasi im Vorbeigehen ein Bild zusammen – wenn man so will, der "Walk of Frame". In der Kulturhauptstadt 2025 reicht so etwas ab dem 31.01. allenfalls noch fürs gute Mittelfeld. Das liegt vor allem an Alexander Ochs. Er ist nicht der Kurator der Ausstellung "John Cage. Museumcircle", um die es in diesem Beitrag gehen soll, sondern der Kurator der Ausstellung "John Cage. Museumcircle". Klingt irre, wird aber noch besser. Die von ihm kuratierte Ausstellung im Industriemuseum Chemnitz wurde nicht von ihm kuratiert, sondern von Kommissar Zufall. Denn die teilnehmenden Museen sollten sechs Exponate nach eigenem Belieben vorschlagen. Im Chemnitzer Industriemuseum wurden dann aus den völlig unbekannten Vorschlägen Lose gezogen, um die eigentlichen Ausstellungsstücke zu bestimmen. Das geschah per Nummer und sorgte vor allem bei den Angestellten der Einrichtung für tiefe Sorgenfalten. Ganz ohne Informationen über die zu präsentierenden Gegenstände scheiterten die Museumsmitarbeiter mitunter schon beim Abtransport der musealen Ware. Probleme, die Alexander Ochs im Interview nur mit einem Schmunzeln bedachte. Aus Sicht des erfahrenen Galeristen erst mal viel Aufregung um nichts.
Untertreibung ist ein Stilmittel, um sich weniger dramatisch auszudrücken, als man es angesichts dramatischer Situationen erwarten könnte. Ob Alexander Ochs zu Beginn des Interviews mit Sachsen-Fernsehen bewusst auf dieses Stilmittel gesetzt hat, ist nicht überliefert. Festzuhalten bleibt jedoch, dass er und seine Mitarbeiter mit dem gewählten Ausstellungssetup anfangs ebenfalls haderten.
Das in der Schau angewandte Prinzip nennt sich Aleatorik und geht auf den Komponisten John Cage zurück. Wer unter dem Begriff nichts versteht, kann sich im Industriemuseum ab dem 31.01. selbst ein Bild machen. Die Hürde zur kulturellen Weiterbildung liegt übrigens recht tief, denn der Eintritt zur wohl ungewöhnlichsten Schau der Kulturhauptstadt 2025 ist frei.