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      Der Chemnitzer Ehrenbürger starb 2020 im Alter von 95 Jahren an seinem Geburtsort. Er war der letzte Auschwitz-Überlebende der Stadt.

      Mahnmal gegen das Vergessen - Denkmal für Justin Sonder enthüllt

      Chemnitz- Am 3. November 2020 starb mit Justin Sonder der letzte Chemnitzer Auschwitz-Überlebende. Bis ins hohe Alter hielt Sonder die Erinnerung an eines der fürchterlichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte wach. Vor allem in den Schulen der zukünftigen Kulturhauptstadt Chemnitz sorgte der Zeitzeuge dafür, dass Geschichte und die daraus resultierende Verantwortung nicht vergessen wird. Am Samstagmittag wurde nun auf dem Chemnitzer Brühl ein Denkmal eingeweiht, das sein Lebenswerk würdigt und an seine Geschichte erinnern soll.

      Er ist hart und beständig. Und manchmal wirkt er wie ein Fremdkörper. Unnachgiebig, nur mit viel Aufwand zu verrücken. Vielleicht brauchte es sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust ein Mahnmal mit genau diesen Eigenschaften. Keine geschwungenen Linien und schmeichelnde Architektur in Naturstein, sondern kantige Quader aus Beton erinnern in Berlin an eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Das Stelenfeld steht sinnbildlich für über sechs Millionen ermordete Juden.

      Auf dem Chemnitzer Brühl ist nun ein ähnlicher Block zu finden. Allerdings werden die harten Konturen von einer Skulptur gebrochen. Sie bildet in organischen Schwüngen einen Gegenpol und soll an Justin Sonder erinnern – Auschwitz-Überlebender, Häftlingsnummer 105027, verstorben am 3. November 2020. Er war der Letzte, der dem Grauen in Chemnitz ein Gesicht gab, die Geschichte von Massenmord und Vertreibung aus eigenem Erleben erzählen konnte. Und genau das tat Justin Sonder unermüdlich – auf zahlreichen Veranstaltungen, in einem der wohl letzten Auschwitz-Prozesse und vor allem in Schulen.

      Die Plastik schließt genau an diesem Punkt an. Zum Einweihungstermin reiste auch Sonders Urenkel Jonathan Claus an. Das Denkmal treffe ihn gut, so der 17-Jährige, und es sei eben keine Statue auf einem Sockel, wie sie zuhauf im Stadtbild zu finden sind. Sondern nah dran - sitzend, auf Augenhöhe mit denen, die sich für seine Geschichte interessieren. 

      Zu den feierlichen Gästen am Sonnabendmittag gehörte auch Christian Wulff, Bundespräsident a.D.. 2011 reiste das damalige Staatsoberhaupt zum 66. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nach Polen und hielt als erster Bundespräsident überhaupt eine Rede in Auschwitz-Birkenau. Mit dabei: Justin Sonder.

      Die Skulptur blickt auf eine jüdische Schule, die 1938 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde. Vorher waren jüdische Kinder in dem Gebäude separiert worden. Nur wenig später, 1940, schufen die Nazis Auschwitz. Der Weg von Ausgrenzung zur Vernichtungsfabrik war kurz. Auf diesen Zusammenhang hat Justin Sonder immer wieder hingewiesen. „Wehret den Anfängen.“ Für den Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze ist das eine der wichtigsten Botschaften Sonders. Und das alles ohne Verbitterung, die Vergebung und damit Versöhnung kaum möglich macht.

      Erinnerungskultur ist kein statisches Objekt wie ein Betonquader oder das nun eingeweihte Denkmal. Sie verändert sich, verblasst mit der Zeit und manchmal wird sie auch weggewischt. Eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad bedeutet im bildlichen Sinne, den Gegenpol zu Justin Sonder einzunehmen. Björn Höcke hat mit seiner Partei in Thüringen die meisten Wähler hinter sich versammelt. Stärkste Kraft nennt man das im politischen Betrieb. Daran wird deutlich, welche Lücke der Tod von Justin Sonder gerissen hat – nicht zu füllen und doch so wichtig. Für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist gerade die Hinwendung und das Vertrauen zu einer Stadt, die Fürchterliches zugelassen hat, ein Charakterzug, aus dem auch kommende Generationen lernen könnten.

      Das Denkmal wird sich mit der Zeit verändern. Es wird verwittern und Risse bekommen. Es wird altern. Die Botschaft, die von Justin Sonder auf der Bank sitzend ausgeht – das Gesprächsangebot an kommende Generationen und auch das Mahnen durch seine Geschichte dagegen muss zeitlos bleiben. Eine übermächtige Aufgabe, die irgendwann auch ohne Zeitzeugen wie Justin Sonder gelingen muss.

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